Schampuskrieg eskaliert: Hausdurchsuchungen gegen SO36.net

Wir hatten ja im Januar über die satirische Aktion von Bamm schon geschrieben, dass die Polizei prüfe, ob es sich bei der Provokation „Schampussaufen, wenn ein deutscher Soldat stirbt“ um Volksverhetzung handle. Jetzt hat die Polizei den linken Berliner Internetprovider SO36.net und eine Privatwohnung durchsucht. Anbei die Presseerklärung von so36.net:

Die Berliner Polizei hat am heutigen Montag ab 10 Uhr den Berliner Internet-Provider SO36.NET durchsucht. Ziel der Aktion war es, Verantwortliche für die antimilitaristische Webseite bamm.de zu ermitteln. Die Webseite des Landesverbands Berlin und Brandenburg der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegnerinnen (DFG-VK) ist unter http://www.bamm.de (Google-Cache) zu erreichen und bei SO36.NET gehostet.

Konkret betroffen von der Durchsuchung waren die Serverräume von SO36.NET sowie die Privatwohnung einer Person, die als technischer Ansprechpartner für die Domain bamm.de bei der Registrierungsstelle für Domains DENIC eingetragen ist. Beamte des Landeskriminalamts Berlin beschlagnahmten zunächst mehrere Server. Kurze Zeit später stufte die Staatsanwaltschaft den Beschluss zur Beschlagnahme der Server jedoch als unverhältnismäßig ein und nahm ihn wieder zurück. Daraufhin wurden die Server zurückgegeben, ohne dass Daten durch die Beamten kopiert wurden. Update: In der Privatwohnung wurden zwei Rechner sowie mehrere Festplatten beschlagnahmt und mitgenommen.

Erst am vergangenen Montag hatte die Polizei in der selben Angelegenheit den Buchladen „Schwarze Risse“ im Berliner Mehringhof durchsucht. Die heutige Durchsuchung wurde wie in der Vorwoche begründet: Auf der Webseite bamm.de ist ein Flyer eingestellt, der unter dem Motto „Feste feiern, wie sie fallen“ beim Tod von Bundeswehrsoldaten zu einem „Schampussaufen“ aufruft. Die Aktion wurde von der DFG-VK Anfang April als satirische Provokation geoutet und für beendet erklärt.

Die Polizei unterstellt gleichwohl den Verantwortlichen, „den im Ausland stationierten Soldaten der Bundeswehr ein Lebensrecht abzusprechen und durch den Aufruf zum Feiern auch das Sicherheitsgefühl der Bundeswehrangehörigen und deren Familien stark zu beeinflussen“. Von der Durchsuchung versprach sich die Polizei vermutlich Hinweise, „aus denen zu entnehmen ist, wer die Einstellung bzw. Änderung auf der Webseite vorgenommen hat“.

Es ist ein Skandal, dass KritikerInnen des Kriegseinsatzes mit staatlicher Repression konfrontiert werden, während gleichzeitig die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen den für das „Kundus-Bombardement“ verantwortlichen Oberst Klein eingestellt werden.

SO36.NET ist ein nicht-kommerzieller linker Internet-Provider. Er stellt Infrastruktur und technische Dienste für politische Gruppen und Einzelpersonen zur Verfügung. Schon seit Längerem steht SO36.NET im Visier der Ermittlungsbehörden, weil es sich für freie und sichere Kommunikation im Internet einsetzt. Zuletzt wurde SO36.NET am 9. Mai 2007 im Rahmen der §129a-Verfahren vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm durchsucht. Auch diese Durchsuchungen haben sich im Nachhinein als rechtswidrig herausgestellt. Mit ihrer Razzia verletzt das Landeskriminalamt Berlin nun erneut das Grundrecht auf Meinungsfreiheit sowie das Telekommunikationsgeheimnis. Der Widerstand gegen den Krieg in Afghanistan und das Hosten politischer Webseiten bleibt nicht nur legitim, sondern notwendig.

Hinterlasse einen Kommentar