Jeder ist verdächtig!

Auch auf die Gefahr hin, dass wir ständig über dieses Thema hier schreiben: es geht mal wieder um Bürgerrechte vs. Überwachung. Am Mittwoch wird das Europaparlament aller Voraussicht nach die Richtlinie zur Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten absegnen. Dann werden alle Telefondaten für mindestens 1 Jahr und alle Internetdaten für mindestens 6 Monate gespeichert werden. Die Speicherung erfolgt ohne Anfangsverdacht. Jeder ist im Focus. Zwar laufen verschiedene Bürgerrechtsgruppen und Verbände gegen die Richtlinie Sturm, doch seit Jahren konnte der von der schleichenden zur galoppierenden Erosion der Bürgerrechte voranschreitenden Entwicklung nichts entgegengesetzt werden.

Wo gespeichert wird, da wachsen auch die Begehrlichkeiten der Ermittlungsbehörden, die diese Entwicklung stetig vorantreiben. Jüngstes Beispiel: das deutsche Maut-System. Was mal zur Abrechnung der LKW-Gebühr angekündigt war, wird jetzt zur lückenlosen Autobahnüberwachung ausgebaut. Der Prozess scheint kaum aufzuhalten, dabei verlieren wir alle ein Stück der mühsam über Jahrhunderte erkämpften Freiheiten. Das ist traurig, gefährlich – und interessiert keine Sau.

Es wird allerdings höchste Zeit dem Kontrollwahn etwas entgegen zu setzen. Ein Anfang wäre Verschlüsselung, die bislang keine breite Anwendung gefunden hat. Übrigens auch, weil sie für den Normal-Anwender immer noch zu schwierig ist. Da wird es höchste Zeit, dass sich ein breites Bündnis aus bürgerechtsbewegten Computernerds wie dem CCC bis hin zur Humanistischen Union bildet und endlich Verschlüsselung zu einem Massenphänomen macht. Doch auch das ist nur eine Abwehrreaktion, die ihrerseits wieder staatliche Gegenreaktionen (wie das Verbot von Hi-End-Verschlüsselung) hervorruft. Wir brauchen ein neues Bewusstsein für Privatsphäre und die Abwehrrechte der Bürgerinnen gegenüber dem Staat. Doch woher soll das kommen?