Die gnadenlosen Rocker

Eine Party am kommenden Samstag im unseligen Sternradio, gibt dann doch den Anlass einen alten, verschollenen und nie veröffentlichten Artikel hervorzukramen:

„Ich bin kein Lokomotivführer!“ sagt Hypnorex. „Ich bin kein Hirte!“ sagt Gianni Vitiello. Die beiden, die sich hier so bescheiden geben, sind Berlins größte Rocker in Sachen elektronischer Tanzmusik. Immer noch und gerade jetzt, finde ich.

Gianni Vitiello versorgt seit einigen Jahren die Stadt mit unkonventionellen, böse rockenden Beats. Mit unvorhersehbaren Sprüngen, Breaks und Überraschungen. Manche nennen ihn den „Rattenfänger von Hameln“, weil er auf dem Karneval der Kulturen eine stetig wachsende Tanzmeute hinter sich herzieht. Legendär sind seine selbstdarstellerischen ebenerdigen Auftritte und die Interaktion mit der Meute. „Clubbing ist für mich eng, schwitzig, Atmosphäre, Hände in die Luft, schreien, Freude, Ekstase!“ sagt Gianni denn auch folgerichtig.

Ins selbe Horn stößt auch Hypnorex, der wie Gianni seine Wurzeln in der Hausbesetzerszene hat. „Meine Musik ist schmutzig, rotzig, brüchig und unberechenbar“ erklärt Hypnorex, der jede Menge Spaß daran hat in stundenlangen Sets die Tanzenden immer wieder fallen zu lassen um im sie im nächsten Moment wieder hochzuziehen. Hypnorex ist ein Anti-Depressivum sagt uns Google. Der schwergewichtige Hypnorex an den Plattentellern wirkt genau wie sein stimmungsaufhellender pharmazeutischer Namensvetter, wenn er mit seinen rotblonden Haaren einen schmutzig-treibenden Track nach dem andern auflegt, und sogar die tanzfaulsten Spaßbremsen auf die Tanzfläche lockt. Man könnte seine Musik auch „Freestyle Rock´n´Roll Electro“ nennen, fügt er an, denn es fänden sich alle Musikeinflüsse seines Lebens in ihr wieder. Wie Hypnorex verwehrt sich auch Vitiello gegen stilistische Eingrenzungen. „Ich spiele das, was ich gut finde – und lasse mich da nicht auf eine Richtung festlegen.“ Vielleicht ist es auch diese Offenheit, die so viel Spaß macht.

Es gibt bei aller Verschiedenheit der beiden noch eine weitere Gemeinsamkeit: die Bindung zum Underground. Auch wenn Hypnorex keine klaren Grenzen zwischen Mainstream und Underground ziehen will, sieht er in illegalen Parties, immer die Möglichkeit sich Freiräume zu nehmen und etwas anderes als das gesellschaftlich Vorgekaute zu leben. Und auch Gianni sagt: „So ein Kellerraum, wo man befürchten muss, dass die Decke einstürzt, ist immer noch besser als ein fertiger, hingestellter kommerzieller Club ohne Feeling.“

Hypnorex und Vitiello stehen mit ihrer Musik gegen den leider immer noch boomenden „Plingel-Plangel-Techno“, der zwar gewissermaßen minimalistisch psychedelisch daherkommt, aber gelinde gesagt, einen nicht gerade auf die Tanzfläche jagt. Gut, dass die beiden dagegenhalten. Denn da bleibt kein T-Shirt trocken.

Beide auflegen sehen & hören:
SA 21.1. 23h TONKONTROLLE
Sternradio, Alexanderplatz 5

djs:
h:rex vs rollin thunder
gianni vitiello
michi noiser
toby dreher

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