Der letzte fette Sturm in Berlin. Das war als die Sonnenschirme funkensprühend über den Kudamm gecrashed sind. Und ich mit Lou Canova Prosecco saufend, irgend ne wummernde Elektromucke im Hintergrund, uns über herunterfallende Ziegel und Äste gefreut haben. Als ich dann betrunken meine Fensterscheibe kaputt machte, konnte ich das locker der Hausverwaltung in die Schuhe schieben.
Und in einer halben Stunde gehts los hier in Berlin. Den Sekt stelle ich schon mal kalt. Geil, ich kann die gleichen nichtssagenden Welle-trifft-Hafenmole-Bilder ins Netz stellen wie Spiegel. Irgend ne Zeitung, die ich vorher in die Hand bekam, warnt vor dem Kanal-Effekt in Berlin. Hochhausschluchten beschleunigen die Luft. Das Ende der welt ist nah, Schulkinder ersaufen in der Spree, Stoiber legt zum Wohle Bayerns seine Ämter nieder und Seehofer will jetzt der große weiss-blaue Mann werden.
Wobei mir da auch einfällt, welche Zeitung vom Kanal-Effekt schrieb. Es war der Tagesspiegel. Da war noch ein Artikel drin. Es ging darum, dass die Medien nicht jedes Detail der Intimsphäre von Politikern (Seitensprungpimpern mit Kind-Effekt a la Seehofer) enthüllen sollten. Und während der Schreiber sich ob seiner herausragenden moralischen Verwantwortung aka Journalistenethos schmeichelnd mit der Hand das Kinn rieb, entwischten ihm folgende Sätze: „Es gibt auch eine Ehefrau und Kinder als Opfer. Gleich, ob Frau Seehofer von der Affäre ihres Mannes wusste oder nicht, ob sie das, aus welchen Gründen auch immer, womöglich tolerierte: Welche Zumutung ist es, wird es, wäre es, wenn die Seehofers jetzt den Zustand ihrer Ehe, ihres gemeinsamen und bis gestern nahezu völlig privaten Lebens vor einem Millionenpublikum ausbreiten, erklären, rechtfertigen müssten?“
Herrlich, sich so selbst den Stift aus der Hand zu schlagen und das mühsam aufgebaute Selbstbild des kritischen und Menschen achtenden Journalisten zu zerdeppern. Das sind doch genau die Typen, die jahrelang nicht über Kohls Affäre mit seiner Sekretärin Juliane geschrieben haben und am Ende dem dicken Einheitskanzler noch die Geschichte aus der Hand fraßen, dass seine gute Hannelore an einer Lichtallergie gestorben sei.