Auf dem nicht-öffentlichen Spitzengespräch zu Internetfiltern haben sich die Filterfreunde durchgesetzt. Schon in dieser Legislaturperiode soll mit dem Zensieren angefangen werden. Wie immer, wenn es um die Einführung repressiver Gesetze geht, werden diejenigen, die wirklich alle Scheisse finden als Grund genannt. Offiziell geht es beim Zensurvorstoß jetzt um Kinderpornografie. Andere Zensurgründe wären natürlich auch Bombenbauanleitungen, Terroristen, Rechtsextreme, Hooligans usw. gewesen.
Durch diese Hintertür, denn gegen die Verfolgung von Kinderpornografie kann nun wirklich niemand etwas haben, werden die technisch-institutionellen Möglichkeiten geschaffen, die später je nach Gusto der jeweiligen Regierung dann weitere Zensurgegenstände hinzugefügt. Wir kennen diese Salamitaktik nicht nur von der Fußball-Hooligan-Datenbank, in der dann recht schnell auch Linksradikale landeten.
Weitere Infos zum Thema:
– Netzpolitik
– Heise
– Spiegel Online
Dass Zensur dem Grundgesetz fundamental widerspricht und versierte Internetnutzer ihren Kinderpornoscheiss sich nicht von direkt-zugänglichen Seiten holen bzw. die Sperren einfach umgehen können, daran hat mal wieder niemand der Verantwortlichen gedacht. Hauptsache Aktionismus, harte Hand und ein weiterer Nagel im Sarg unserer Verfassung – Repression: darfs auch etwas mehr sein?
Der größte Witz an der Sache ist übrigens, dass das durch das BKA-Gesetz eh schon aufgepimpte Bundeskriminalamt die zu zensierenden Seiten bestimmt.
Wenn es denn überhaupt um Kinderpornographie ginge.
Irgendjemand in Finnland hat sich mal die Mühe gemacht, alle dort zensierten Seiten zu analysieren und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass sich unter den 1047 zensierten Seiten gerade mal knapp 1% Angebote mit eindeutigen Inhalten und 2-3% Grenzwertiges im Sinne des Gesetzes befinden. Unter der Annahme dass die mittlerweile toten Seiten (7-8%) tatsächlich alle eindeutige oder zumindest grenzwertige Inhalte führten, kommt man gerade mal auf < 12%.
Viele Seiten verweisen dort auf schwulen Porno, Teenporn (18-20 Jährige) oder auch Dinge wie „fictional forced incest“ oder „forced rape“ (man kann natürlich für eine Zugangssperre der zuletzt genannten Angebote sein, nur sollte man dies im Gesetz dann auch explizit reinschreiben).
Hier die komplette Analyse: http://maraz.kapsi.fi/sisalto-en.html
Erwähnen muss man in dem Zusammenhang auch noch die jüngere Gesetzgebung (§184c StGB) in der BRD.
Stichwort: „pornographische Darstellungen mit ‚Scheinjugendlichen'“. Danach ist es nicht relevant, ob die dargestellten Personen minderjährig sind, sondern ob sie jemand Minderjähriges „wirklichkeitsnah“ darstellen.
Was „wirklichkeitsnah“ in der Praxis bedeuten wird, muss dann natürlich erst ein Gericht klären. Bis dahin gehen begründete Auslegungen von „sicher pornographische Darstellungen mit scheinbar jugendlich Aussehenden“ bis zu „scheinbar pornographisch aussehende Darstellungen mit sicher Jugendlichen“.
Oder kurz formuliert: Kinderporno ist es, wenn es Porno ist und wie ein Kind oder Jugendlicher aussieht!
Das macht die Sache für die deutschen Behörden natürlich viel einfacher.
Man darf gespannt sein, wann hier die erste Seite mit Arbeiten aus der Kinderserie von Robert Mappelthorbe „aus Versehen“ geblockt werden wird. Zum Beispiel diese Aufnahme ( http://co.guggenheim-deployment.com/media/previews/98.4426_ph_web.jpg ) welche im Guggenheim Museum ausgestellt wird, oder Richard Princes Foto von der jungen Brooke Shields ( http://www.artsjournal.com/culturegrrl/Shields2.jpg ).
Aber die BKA Beamten sind sicher hervorragend für diese Arbeit geschult worden und besitzen ein größeres Fingerspitzengefühl, als die Verantwortlichen in Finnland.
Wenn nicht schon heute, dann spätestens morgen.