Interview mit Sascha Lobo, Patrick Breyer und Markus Beckedahl zu ihrem Treffen mit Innenminister de Maizière

Innenminister Thomas de Maizière hat heute unter dem Motto „Perspektiven deutscher Netzpolitik“ zahlreiche Netz-Protagonisten zum Dialog über Datenschutz eingeladen. Unter ihnen waren Markus Beckedahl, Sascha Lobo, Patrick Breyer und Andy Müller-Maguhn vom CCC. Die Zeit schreibt, de Maizière habe sich das Netz erklären lassen, fefe nennt die Veranstaltung BMI-Gruschel-Dingens. Wir haben u.a. Sascha Lobo und Markus Beckedahl gefragt, wie es denn nun war. Vielen Dank an die beiden für die schnelle Antwort.

Update 19.01.: Patrick Breyer hat seine Antworten auch geschickt. Danke!

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1) Normalerweise ist der Innenminister ja der politische Intimfeind von Bürgerrechtlern und Datenschützern – wie war es in der Höhle des Löwen?

Sascha Lobo: Ist das normalerweise so? Ich empfinde es eher als unschöne, unnormale Entwicklung. Dazu noch bin ich weder Bürgerrechtler noch Datenschützer, sondern Autor, der sich an der Diskussion um die Digitale Gesellschaft beteiligt, in Schrift und Tat, um etwas pathetisch zu formulieren. Ich finde es sehr gut, in ein solches Gesprächsangebot auch Menschen miteinzubeziehen, die wie Andy Müller-Maghun, Markus Beckedahl oder auch ich der kultischen Verehrung der CDU eher unverdächtig sind. Die Atmosphäre war offen und konstruktiv – aber am Ende entscheidet nicht das Gefühl bei einem Gespräch, sondern die Resultate – auch in Form von Gesetzen. Dass es trotzdem ein sympathischer Bruch ist mit der bisherigen Politik und Kommunikation des Innenministeriums, kann man ruhig positiv vermerken. Herr de Maizière sollte die Chance gegeben werden, nicht durch die Politik seiner Vorgänger allzu belastet handeln zu können.

Patrick Breyer: Schon zu Zeiten des letzten Innenministers habe ich davor gewarnt, den Konflikt zu personalisieren (wenngleich bestimmte Protestformen ein konkretes Ziel brauchen). Es geht um inhaltlich vollkommen unterschiedliche Positionen zum Verhältnis von Freiheit und Sicherheit. Wir haben sachlich, aber kontrovers debattiert.

Markus Beckedahl: Das Treffen fand ja nicht im Bundesinnenministerium statt, sondern im „Logenhaus“ in West-Berlin, dem Sitz verschiedener Freimaurerlogen. Ansonsten wurden wir gut vom Bundesinnenministerium versorgt. Essen konnte per Twitter bestellt werden und auch ein Ladegerät für mein Handy wurde mir nach einem Tweet rasch an meinen Tisch geliefert. Leider war die Redezeit begrenzt. Bei 16 Teilnehmern und nur drei Stunden Zeit blieb mir nur Zeit für ein Statement, danach kam ich leider nicht mehr auf die Redeliste.

2) Welches Gefühl hattest Du nach dem Gespräch? „Dieser Dialog ist der erste Schritt, Ernst genommen zu werden“ oder eher „Nicht schlecht eingefädelt, diese PR-Story mit den Protagonisten des Netzes“

Sascha Lobo: Ersteres. Aber entscheidend, das kann man nicht oft genug sagen, ist was hinten rauskommt. Auch wenn alle wissen (und der Minister betont hat), dass Politik aus Kompromissen besteht.

Patrick Breyer: Meine zusammenfassende Bewertung ist, dass die Veranstaltung eine gute Gelegenheit war, unsere Positionen dem Minister persönlich deutlich zu machen. Ob die Veranstaltung irgendwelche konkreten Wirkungen entfalten wird, steht in den Sternen. Immerhin können wir in Zukunft auf eine bessere Einbindung und Beteiligung als in der Vergangenheit hoffen. Die Politik nimmt uns jetzt (erzwungen durch unsere Aktionen) ernst, aber um unsere Forderungen durchzusetzen, werden wir weiterhin öffentlichen Druck und Aktionen brauchen.

Markus Beckedahl: Es ist erstmal ein deutlicher Unterschied zur Vorgängerregierung, dass ein Innenminister Experten zu einem Netzpolitik-Gespräch einlädt und zuhört. Das ist begrüßenswert. Ob die Veranstaltung was gebracht hat und der Dialog Ernst gemeint war, wird die Zukunft zeigen. Der Ball liegt jetzt beim Bundesinnenministerium, das dringend den Datenschutz modernisieren muss, z.B. durch die Einführung eines Datenbriefes, Sammelklage-Möglichkeiten für Verbraucher und dadurch, dass bei staatlichen IT-Projekten der Datenschutz und Datensparsamkeit von Anfang an mit bedacht werden muss.

3) Mal abgesehen davon, dass Demokratie nichts mit Wünschen zu tun hat: Du hast beim Innenminister einen Wunsch frei – welcher ist es?

Sascha Lobo: Ich habe diesen Wunsch am Anfang der Veranstaltung sagen dürfen. Er lautete, PR und Hysterie aus dem Prozess der Gesetzgebung soweit wie irgend möglich herauszuhalten und stattdessen Wissenschaft und Expertenmeinungen intensiver zu beachten, als das bisher der Fall war. Wird kaum möglich sein, aber anstreben kann man es ja.

Patrick Breyer: Die Vorlage eines „Freiheitspakets“, demzufolge unnötige und exzessive Überwachungsgesetze der letzten Jahre aufgehoben werden, darunter die Totalprotokollierung des Telekommunikationsverhaltens der gesamten Bevölkerung (Vorratsdatenspeicherung), die Übertragung von Polizeibefugnissen einschließlich Online-Durchsuchung auf das Bundeskriminalamt, die gemeinsame Datei aller Sicherheitsbehörden, die elektronische Speicherung biometrischer Körpermerkmale in Pass und Personalausweis, die Vernetzung der örtlichen Ausweisregister, die lebenslängliche Steuer-Identifikationsnummer, das elektronische Bankkontenverzeichnis, die verpflichtende elektronische Gesundheitskarte sowie die Überwachung von Wohnungen, Ärzten, Rechtsanwälten und anderer Vertrauenspersonen.

Markus Beckedahl: Weg mit der Vorratsdatenspeicherung.

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Positionspapier des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung (PDF)
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Zeit.de: Innenminister lässt sich das Netz erklären
Netzpolitik: Feedback zur Datenschutz-Dialogveranstaltung
Dialog-Seite des BMI

Fotos: Markus Beckedahl – CC-BY-NC Commonspage / Sascha Lobo – CC-BY-NC-SA stn1978

5 Kommentare

  1. Heiko C. says:

    Hm.
    Danke für den Beitrag. Is bloss ein bisschen kurz das Interview, aber dann passt es ja zur Dialogveranstaltung, um die es geht.

    Die Zeit wird zeigen, was hinten rauskommt.

  2. Tharben says:

    @Heiko C.

    Zumindest hat die Zeit einen Text von Markus Beckedahl zu dem Thema veröffentlicht: http://blog.zeit.de/kulturkampf/2010/01/19/bmi-im-protokoll-verfangen (SCNR – passte so schön zu „Zeit“)

    Danke fürs Interview.

  3. Also so wirklich überzeugt bin ich vom Nutzen dieses Gesprächs ja noch nicht. Lobo hat schon recht mit seinem Ausspruch „[…]entscheidend[…]ist was hinten rauskommt“. Und da sehe ich noch lange kein Lich am Horizont sondern nur eine Wand von Unverständnis für das Internet. Die Erkenntnis, dass das Netz wichtig ist, ist ja schon mal ein guter Anfang. Aber der Weg ist imho noch lang.

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