Ich war gerade eben bei der Präsentation des Gemeingüter-Reports. Grundsätzlich finde ich den Report sehr gut, denn er erklärt auf sehr verständliche Weise, was es mit Gemeingütern so auf sich hat, was wir machen können und wie das alles funktioniert. Simon Columbus hat auf boell.de eine gute Zusammenfassung des Reports geschrieben, die ich hier einfach mal teilweise zitieren möchte:
Was sind Gemeingüter? Heinrich Popitz erklärt es am Beispiel von Liegestühlen auf einem Kreuzfahrtschiff. Es gibt weniger Plätze als Passagiere, doch solange die Liegen frei werden, sobald jemand aufsteht, und die Urlauber sich immer wieder abwechseln, kommen alle in den Genuss der Sonne. Beginnt jedoch eine Gruppe, Liegestühle dauerhaft in Beschlag zu nehmen, bricht diese Ordnung zusammen. Die Mehrheit der Passagiere hat das Nachsehen.
In dem Gleichnis sind Liegestühle eine begrenzt verfügbare Ressource – so wie Wälder oder Fischgründe. Anfangs werden sie als Gemeingüter verwaltet. Sie stehen niemandem allein zu. Doch wenn keine fairen und nachhaltigen Nutzungsrechte an diesen Dingen ausgehandelt oder diese Regeln gebrochen werden, leidet die Lebensqualität der Gemeinschaft. Im Miteinander und nicht im Gegeneinander müssen also tragfähige Lösungen gefunden werden.
Gemeingüter lassen sich in vielen Bereichen schaffen. Die Autoren des Reportes stellen vier Kategorien auf: In der Natur sind es unter anderem Luft und Wasser, Böden und Wälder; im Sozialen Plätze und Parks, Sport- und Freizeittreffs, aber auch Feierabend und Ferien. Sprache, Gebräuche und Wissen sind kulturelle Gemeingüter. Eine besondere Rolle spielen Gemeingüter im digitalen Raum, wo Software, aber auch Videos, Bilder und Texte häufig als Gemeingüter behandelt werden.
Gemeingüter setzen sich aus drei Grundbausteinen zusammen: Den Ressourcen, den Menschen sowie den Regeln und Normen. „Die Idee der Gemeingüter ist ohne die Bindung an konkret handelnde Menschen in bestimmten sozialen Umgebungen nicht denkbar“, erklärt der Report: Menschen nehmen die „Baustoffe“ in Anspruch.
Regeln und Normen ermöglichen es, diese Komponenten zu verbinden. Sie sollten weitgehend von der Gemeinschaft der Nutzer einer Ressource selbst bestimmt werden. „Das gelingt nur, wenn eine Gruppe von Menschen ein gemeinsames Verständnis vom Umgang mit einer Ressource entwickelt“, schreiben die Autoren. Der Historiker Peter Linebaugh bezeichnet diesen sozialen Prozess der Institutionalisierung von Gemeingütern als „commoning“.
Der Gemeingüter-Report könnt ihr an gleicher Stelle downloaden. Er liefert wirklich gutes Basiswissen, vor allem auch für andere Bereiche als Creative Commons.
Das war aber auch ein Problem in der Diskussion. Die Autor_innen machen für meinen Geschmack zu wenig Unterschiede zwischen materiellen und immatriellen Gemeingütern. Es mag politisch vernünftig sein hier keine Abstufungen zu machen, doch vielen Menschen wird sich genau deswegen der Sinn nicht erschließen: denn wenn die Erdbeeren oder Kartoffeln gegessen sind, dann sind sie weg. Das ist nun einmal fundamental anders als bei Musik, Fotos, Wissen oder freier Software, die eben nach Verwendung immer noch genauso da sind – und einfach nicht weniger werden.
Ich denke, dass die Menschen über die Nutzung von immatriellen Gemeingütern für Gemeingüter allgemein begeistert werden können. Wenn ich Fotos für mein Blog nutzen kann, die ein anderer Menschen irgendwo gemacht hat, wenn ich Plakate remixen kann und Flyer auf Grundlage meiner und fremder Kreativität basteln kann – und meine Erzeugnisse wieder der Allgemeinheit zur Verfügung stelle, dann wird mir klar, warum das alles Sinn macht.
Vielleicht sollten wir genau dort anfangen, wo zum Beispiel die Content-Industrie Güter künstlich verknappt, sie in Copyrights und Kopierschutz zwängt und die Menschen mit Klagen überzieht. Hier entsteht ein Widerspruch, den die Menschen nur ungern hinnehmen.
Damit kommen wir zu einem weiteren Kritikpunkt an der gut besuchten Veranstaltung: für meinen Geschmack war das Podium zu homogen besetzt. Hier wäre es schon schön gewesen, einen Vertreter auf der Bühne zu haben, der erklärt, warum er Gemeingüter für falsch oder eine kleine Nische hält. Denn in der Realität wird ja Tag für Tag aus der klassischen Wirtschaft heraus gegen freie Software, Musik und dem Gencode von Pflanzen agiert. Es wird seit Jahren versucht, Allmende zu privatisieren, zu verwerten und damit der gemeinsamen und fairen Nutzung zu entziehen. Es wäre interessant gewesen, diese Position auch zu hören. Auch wenn ich sie ablehne.
Dieses kleine 52-seitige Buch ein guter Anfang, um die stärker werdende Bewegung der Commons zu unterstützen. Das sagte dann auch Silke Helfrich: „Wir wollen das Thema in eine breitere Öffentlichkeit tragen.“ Recht hat sie, denn wir stehen erst am Anfang.
Ich habe Silke Helfrich übrigens am Wochenende zum Thema interviewt. Weitere Rezensionen des Reports gibt es auf heise.de und bei kooptech.