Das Thema Pfefferspray und Reizgase und deren mittlerweile inflationär gewordene Einsatz durch die Polizei sind mir schon länger ein Anliegen. Nun hat das Thema endlich den Bundestag erreicht. Die Linken-Abgeordnete Karin Binder hat heute ein Gutachten „Der Einsatz von Pfefferspray gegen Demonstranten durch Polizeikräfte – Gesundheitliche Auswirkungen und Grundsätze der Verhältnismäßigkeit“ vorgestellt, das in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages erarbeitet wurde und als PDF vorliegt.
Dort heißt es:
Der Einsatz von Pfefferspray durch Polizeibeamte stellt einen Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) dar. Er bedarf daher der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung, die in den Bundes- und Landesgesetzen zur Ausübung des unmittelbaren Zwangs geregelt ist. Dabei muss auch bei der Verwendung von Pfefferspray stets der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Berücksichtigung finden.
Der Reizstoff ist demnach nur dann zu bevorzugen, wenn er gegenüber anderen Maßnahmen oder Hilfsmitteln die weniger intensive Einwirkungsart darstellt. Pfefferspray kommt mittels geeigneter Sprühgeräte seit Jahren bei der Polizei zum Einsatz. Es wird dabei als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt bzw. in diesem Sinne als Waffe gegen Personen verwendet. Durch den Einsatz der Reizstoffe sollen einzelne Personen und Personengruppen gezielt und aus der Distanz in einen handlungsunfähigen Zustand versetzt, bzw. „kampfunfähig“ gemacht werden.
Das Innenministerium Baden-Württemberg führt dazu aus, dass die Beamten nach § 52 des Polizeigesetzes (PolG BW) nur dann unmittelbaren Zwang anwenden dürfen, wenn der polizeiliche Zweck auf andere Weise nicht erreichbar scheint.
Soweit die Theorie. In der Praxis wird Pfefferspray von Polizeibeamten oft eingesetzt, auch gegen friedliche Sitzblockaden eingesetzt, wie zum Beispiel bei Protesten gegen einen Naziaufmarsch in Prenzlauer Berg 2006 (Foto). Dabei wurde gezielt in die Menge der Sitzblockierer gesprüht, was ich damals als Teilnehmer beobachten konnte. Gegen Sitzblockaden gibt es immer andere Vorgehensweisen als Pfefferspray, wie die Wirkstoffe Oleoresin Capsicum (OC) oder Pelargonsäure-vanillylamid (PAVA) im Volksmund genannt werden.
Im Gutachten heißt es zu den gesundheitlichen Gefahren des Pfeffersprays:
Wird Pfefferspray gegen Menschen eingesetzt, reagiert der Körper mit heftigen Symptomen, die zu einer meist vorübergehenden körperlichen Beeinträchtigung führen. Aber auch bleibende körperliche und seelische Schäden sind nicht auszuschließen. Den Sicherheitsdatenblättern der Hersteller und der medizinischen Fachliteratur ist zu entnehmen, dass Menschen, die mit Pfefferspray in Berührung kommen, fast ausnahmslos einen Arzt aufsuchen sollen. In jedem Fall sind Erste-Hilfe-Maßnahmen erforderlich. (…)
Bei richtiger Behandlung können bei gesunden Menschen Langzeitfolgen aufgrund von Pfefferspraykontakt weitgehend ausgeschlossen werden. Lediglich eine kontinuierliche Überdosierung des Wirkstoffs kann zu chronischer Gastritis sowie Nieren- und Leberschädigungen führen. Gleichwohl sind schwere Erkrankungen und mehrere Todesfälle als Folge der Verwendung von Pfefferspray bekannt. Besonders betroffen sind Asthmatiker, Allergiker und Menschen mit labilem Blutdruck. Auch Bronchialinfekte können zu einer lebensbedrohlichen Situation führen. Aus einer Studie des US-Justizministeriums geht hervor, dass zwei Tordesfälle im Zusammenhang mit Atemwegserkrankungen stehen.11 Besonders gefährlich ist der Kontakt mit Pfefferspray für Personen unter Einfluss von Drogen und Psychopharmaka.
In Deutschland sind alleine im Jahr 2009 drei Todesfälle unter Einfluss von Pfefferspray bekannt geworden. Im Jahr 2010 starb ein Mann in Folge eines Pfeffersprayeinsatzes. Die Gefahr entsteht dadurch, dass die Polizei nicht abschätzen kann, ob die mit Pfefferspray „behandelten“ Personen zur Risikogruppe gehören.
Wegen der gesundheitlichen Risiken und der Tatsache, dass Pfefferspray auf Demonstrationen nicht verhältnismäßig eingesetzt werden kann, kommt das Gutachten zum Schluss:
Der Einsatz von Pfefferspray zum Einsatz bei Polizeikräften als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt und zur Ausübung unmittelbaren Zwanges muss in Deutschland verboten werden. Die gesundheitlichen Risiken von Pfefferspray müssen grundlegend erforscht und generell Teil forensischer Untersuchungen sein.
Ich kann diese Forderung nur unterstützen. Auch wenn ich angesichts der Tatsache, dass die Polizei immer neue Waffen wie Taser und Eleketroschocker einsetzen will, eher pessimistisch bin, dass sich ein Verbot umsetzen lässt. Auf jeden Fall setzt das Gutachten das Thema erstmals auf die parlamentarische Tagesordnung – es sollte von politischen Kampagnen aus den außerparlamentarischen Bewegungen flankiert und unterstützt werden.
Übrigens in dem Zusammenhang ganz interessant: Pfefferspray wird in Deutschland an Bürger nur zur Abwehr von TIEREN verkauft, weil es sehr viel potenter ist, als das zur Abwehr von Angreifern angebotene „CS-Gas“ (2-Chlorbenzylidenmalonsäuredinitril).
Im Rahmen des Notwehr „darf“ man es dann zur Selbstverteidigung anwenden, weil man sich ja verteidigen muss. Man muss nur im Nebensatz erwähnen, dass man es natürlich ursprünglich wegen der gefährlichen Kampfhunde dabei hatte, und nie den Plan gehegt hat, es gegen Menschen einzusetzen.
Erklärte mir der Mann im Waffenladen, als ich, nachdem ich selbst mal staatliches Pfefferspray kosten durfte, entschied „Das brauch ich auch.“
Hintergrund:
http://de.wikipedia.org/wiki/Pfefferspray#Deutschland
Dear Barbara, I am back from Scotland and the UK and am so happy to see you are back with this leolvy blog post about the roses in your garden. The scent of roses is one of the special joys of the earth, I think. I am sure it will be an enduring comfort to you.
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