Vorgestern wurde in Ungarn ein neues „Mediengesetz“ verabschiedet, das faktisch die Einführung der Zensur bedeutet.
Dunja Mijatovi, die Medienbeauftragte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), spricht von einer Gesetzeslage, wie man sie sonst nur von autoritären Regimen kennt.
Tatsächlich bietet das neue Gesetz der Regierung ab dem 1. Januar 2011 die Möglichkeit, nach eigenem Belieben nicht nur die staatlichen, sondern auch private Medien und das Internet zu kontrollieren. Diese Aufgabe kommt der neu geschaffenen Medienbehörde NMHH zu. Sollte diese künftig in der Berichterstattung etwas entdecken, das sie als Verstoß gegen allgemeines Interesse oder gegen öffentliche Sitten betrachtet, kann die Behörde Geldstrafen verhängen. Sie verfügt dabei über sehr großen Ermessensspielraum.
Oberaufsicht über TV, Radio, Zeitung und Online-Medien übernimmt eine Medienaufsichtsbehörde Zensurbehörde mit dem Namen NMHH. Sie ist komplett mit Personen aus der rechtsnationalen Regierungspartei Fidesz besetzt, die Vorsitzende ist auf neun Jahre ernannt. Die Behörde hat auch schon einzelne Strafen ausgesprochen, wird aber durch das Gesetz weiter in ihrem Handlungsspielraum gestärkt. Die Behörde kann selbst Verordnungen und Mediengesetze erlassen und ist so der Legislative entzogen. Gleichzeitig fungiert sie mit ihrem Strafsystem als Richter. Schon vor dem Gesetz wurden die öffentlich-rechtlichen Medien Ungarns verpflichtet, Nachrichten der staatlichen Nachrichtenagentur – auch sie regierungskontrolliert – zu übernehmen.
Netzpolitik hat in einem Artikel die Hintergründe und Auswirkungen des Gesetzes recherchiert:
Es gibt hohe Strafen, die man auch erstmal bezahlen muss, bevor ein Richter geklärt hat, ob man im Recht und Unrecht ist. Im Onlinebereich sollen Strafen in Höhe von 10.000 Euro zu erwarten sein, bei den anderen Medien liegen die Strafen deutlich höher. Dies bedeutet einen Chilling-Effect, weil man sich mehrfach überlegen wird, gegen Bestimmungen zu verstossen und Kritik zu laut zu äußern, weil man sonst schnell pleite ist.
Bislang sind die üblicherweise bei Iran, Venezuela & Co. auftauchenden besorgten Regierungsstimmen merklich leise geblieben. Das liegt daran, dass Ungarn ab dem 1. Januar die Ratspräsidentschaft der EU übernimmt, da wird diese massive Einschränkung der Pressefreiheit mal eben schnell auf dem Altar der Harmonie geopfert. Als einziger Regierungsvertreter hat der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn das Gesetz als „Verstoß gegen europäische Werte“ bezeichnet und Ungarn politisch in die Nähe Weißrusslands gerückt. Politiker des EU-Parlamentes äußerten sich besorgt.
Und hier könnten wir ansetzen: eine europaweite Kampagne in Zusammenarbeit mit ungarischen Anti-Zensur-Aktivisten, die genau die europäische Ratspräsidentschaft nutzt, um gegen das Mediengesetz die Zensur zu schießen. Das erfordert Vernetzung und Kontakte. Erste Versuche werden zum Beispiel von bloggingportal.eu unternommen:
Voice your criticism in your blogs, on Twitter and Facebook – and put the links to your articles into the comments of this post. If you want, you can additionally send your links directly to the press team of the Hungarian Council Presidency – here is their email address: press.beu@kum.hu.
Da geht noch mehr, oder?
Mein wunderbarer Fahrradurlaub im Frühjahr 2011 ist gerade im zensierten Medien-Klima kläglich an Freiheitsentzug verstorben.
Wie kann sowas in Europa passieren? Hey, was ist überhaupt aus
dem europäischen Gedanken geworden, diese grenzenlos tolle Idee?
„diese grenzenlos tolle Idee?“
ist das dein ersnt?
Ironie der Geschichte: Das Land, welches im Mai 89 den Eisernen Vorhang zerschnitten hat, trägt nun die Demokratie zu Grabe.
So langsam und schleichend wird auf diesem Planeten nun alles mundtot gemacht was auch nur annähernd seine eigene Meinung vertritt. Mal gespannt wie lange es noch bis zur NWO dauert. Traurig echt!!!
energisch: radfahren darf man (noch)!
Wer kann mir sagen, wo genau er das Gesetz gelesen hat und wo ich es nachlesen kann, um einen qualifizierten Kommentar abgeben zu können?
Gegenpapst:
Versuch Sie es unter http://www.bertelsmanns-vorgefertigte-pressemeldungen-fuer-die-gleichgeschaltete-deutsche-presse.de oder http://www.wir-deutschen-sind-ja-so-demokratisch-und-glauben-das-auch-noch.de oder unter http://www.meinungsmache.de :)
Ich kann es langsam echt nimmer lesen! Was ist denn mit Italien’s Presse? Oder besser gesagt mit Berlusconi’s Presse? Wo ist da die Demokratie? Was ist mit den in Frankreich geltenden Mindestquoten für französischsprachige Lieder im Radio? Ist das etwa nicht eine Art von Zensur?
@Volker: Vielleicht ist Ungarn erneut Vorreiter in einer bereits verdorbenen Welt – verdorben durch Medienmogule wie Berlusconi, Murdoch, Leo Kirch, Springer, Bertelsmann & Co. Was im ersten Moment zugegebenermaßen undemokratisch erscheint kann ebenso der notwendige erste Schritt sein, um die Macht wieder dem Staat zurückzugeben und aus den Händen von Medien (die der verlängerte Arm der Wirtschaft sind) wieder zu entreissen!
@Alienator
Ihre Meinung können Sie verteten, wo Sie wollen – auch weiterhin in Ungarn. Dafür werden Sie nicht bestraft. Bestraft werden Sie lediglich, wenn Sie Ihre Meinung, die eventuell nicht den Tatsachen entspricht, in der Presse als vermeintliche Fakten präsentieren und somit der Bevölkerung aufdrücken. Die Presse soll frei und unabhängig informieren, die manipulieren. Und eben das macht sie aber leider überall – in Deutschland – und bisher wohl besonders wild auch in Ungarn. Insofern ist die Einschränkung der „Pressefreiheit“ nicht die Einschränkung der Meinungsfreiheit!
@ L.Mohn: Ich glaube kaum, dass das Aufzählen anderer Negativbeispiele das ungarische Mediengesetz besser und demokratischer macht. Wenn Sie dieses Blog aufmerksam gelesen hätten, dann wäre Ihnen vielleicht aufgefallen, dass wir über Zensur und die Mediensituatiuon auf der ganzen Welt berichten und uns nicht auf Ungarn beschränken. Insbesondere die Kritik an der deutschen Situation liegt uns am Herzen, denn wir kehren gerne vor der eigenen Haustüre.