Seit Tagen lavieren Westerwelle, Merkel, Obama und alle anderen Politiker der westlichen Welt herum. Ich kann diese Sprüche nicht mehr hören. Von großer Sorge ist da die Rede, von Beten für die Menschen und besseren Tagen, die da kommen sollen (Obama) und dem immer wiederholten Aufruf, dass beide Seiten auf Gewalt verzichten sollen. Orderly Transition, Deep Concerns und die ganze Leier. Leeres Geschwätz, das in letzter Konsequenz dem ägyptischen Regime den Rücken stärkt.
Aber was will man erwarten von Staaten, die seit Jahrzehnten Hand in Hand mit Diktaturen gehen? Was will ich von einer Merkel erwarten, die noch im März letzten Jahres sagte, dass sie sich „ganz außerordentlich freut, dass der ägyptische Staatspräsident Mubarak bei uns zu Gast ist“ (Video)?
Es kotzt mich an.
Im Blickwinkel großer Teile der westlichen Welt werden Araber als dunkelhäutige Machos gesehen, die ihre Frauen prügeln und die Scharia einführen wollen. Als ungebildete wilde Massen, die nur darauf warten uns in Chaos und Terror zu stürzen. Ein Scheissbild ist das. Und die letzten Monate haben mit den Aufständen in Tunesien und Ägypten gezeigt, dass dort eine Mehrheit für Freiheit und Würde demonstriert und ganz ohne die scheinheilige Hilfe der westlichen Welt ihre Despoten loswerden will.
Was muss eigentlich noch passieren?
Bis jetzt gibt es alleine in Ägypten mehr als 150 Tote und mehrere tausend Verletzte. Das ägyptische Regime hat die größte Abschaltung des Internets vorgenommen, die dieses Medium jemals erlebt hat. Mobilfunkprovider wie Vodafone schalten ihre Netze ab, verschicken Regimetreue SMS an ihre Kunden. Das Regime lässt bewaffnete Schläger Chaos anrichten, damit sich der Präsident als Stabilitätsfaktor präsentieren kann. Provokateure werden in friedliche Demonstrationen geschleust um Gewalt anzustacheln. Schergen des Regimes werfen Molotovcocktails und feuern mit scharfer Munition auf Menschen, die einen Platz besetzen. Führende Aktivisten der Jugendbewegung und Blogger wurden heute festgenommen. Eine Gebäude von Menschenrechtsorganisationen gestürmt und Vertreter von Amnesty International mitgenommen. Es wird systematisch Jagd auf Journalisten gemacht: Dutzende wurden geschlagen, festgenommen und vertrieben. Systematisch wurde die Technik der Presse zerstört. Eine Liste mit all diesen Übergriffen gibt es bei ABC.
Was muss eigentlich noch passieren, bis endlich ein Politiker deutliche Worte findet? Was muss eigentlich passieren, bis endlich jemand auf die Idee kommt, der ägyptischen Armee ins Ohr zu flüstern, dass ihre milliardenschwere Militärhilfe auf dem Spiel steht? Was muss passieren, bis sich jemand auf die Seite der Demokratiebewegung stellt?
Der Aufstand sollte als Chance gesehen werden
Ich kann die Sorge Israels nachvollziehen, wenn mit Mubarak der wichtigste arabische Verbündete wegbricht. Das ist in der Tat ein Problem. Und natürlich kann man sich die islamistische Muslimbruderschaft schwer als Partner Israels vorstellen.
Aber es ist auch ein Problem seine Sicherheitsdoktrin auf der Partnerschaft mit autoritären Staaten aufzubauen. Deswegen bietet der Aufstand auch eine Chance mit pluraler-verfassten und demokratischeren Ländern Kooperationen einzugehen. Wir haben bewegende Bilder gesehen von Christen, die Muslime beim Beten schützen. Abgesehen, dass ich Religion nicht leiden kann, sind das Zeichen für Toleranz. Wir haben zwei Millionen Menschen friedlich demonstrieren sehen. Die Bilder haben Hoffnung geweckt – und die Sicht vieler Menschen auf die arabischen Länder verändert.
Ich habe keine Ahnung, wie es jetzt in Ägypten weitergeht. Ich habe immer noch Hoffnung, dass diese Revolution irgendwie erfolgreich über die Bühne geht. Aber vielmehr habe ich Angst, dass diese mutigen jungen Menschen jetzt vom Regime fertig gemacht werden. Alle Anzeichen stehen darauf. Niemand wird sagen können, dass man es nicht hätte merken können. Und mitschuldig sind alle, die nichts dagegen getan haben. Vor allem diese abgeklärten Politikerfressen!
Das Bild find ich Klasse :))
Im Blickwinkel großer Teile der westlichen Welt werden Araber als dunkelhäutige Machos gesehen, die ihre Frauen prügeln und die Scharia einführen wollen. Als ungebildete wilde Massen, die nur darauf warten uns in Chaos und Terror zu stürzen. Ein Scheissbild ist das.
Es ist schade, dass an dem ansonsten sehr guten Beitrag dieser Unsinn pappt. Ihre eigene Argumentation ist doch überzeugend, warum dieser „und überhaupt sind die meisten eh doof“ Nachsatz, das ist wie Nachtreten im Fussball oder wie „Kirschwasser durch die Nase hochziehen“(Tucholsky?)
Eine Argumentation wird nicht besser, wenn man die schweigende Mehrheit zu Trotteln degradiere. Au contraire.
Für den Rest des Artikels: Thumbs up!
Sorry, meine „“ tags sind leider untergegangen, der erste Absatz sollte ein Zitat werden
Ob das eine Demokratiebewegung ist, werden wir ja noch sehen.
Scheint mir so ein Reflex zu sein. ‚Linke‘ finden jede Revolution immer ganz toll, Staaten natürlich erstmal eher destabilisierend.
Da wäre eine differenziertere Betrachtung wohl angebracht.
Schauen wir mal, wie du in 5 Jahren nach vollzogener Revolution zu Ägypten stehst. Erst dann kannst du Politikern ihre „Das weiß an wenigstens, was man hat“-Position vorwerfen.
„Da weiß man wenigstens, was man hat“ sollte es natürlich heißen.
„Da weiß man, was man hat“ sagt es sich eben leicht, wenn man nicht 30 Jahre unter einem Diktator gelebt hat. Korruption, keine elementaren Bürgerrechte und keine Zukunft. Aber Du kommst mit diesem, da weiß man, was man hat…
Ich leb sogar seit über 30 Jahren in der Kack-Bundesrepublik. Trotzdem würd ich nicht jedem Mob blind hinterher rennen, der ‚Revolution‘ brüllt.
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Ich denke es ist ein GUTES ZEICHEN, wenn die BRD-Regierung NICHT zu den Protestlern/Revolutionären hält, dann SCHEINEN die nämlich in Ordnung zu sein. Aber es ist keine Garantie.
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Aber was war eigentlich mit dir in den letzten 30 Jahren? Hab hier so wenig darüber gelesen, wie Ägypten „unter einem Diktator gelebt hat. Korruption, keine elementaren Bürgerrechte und keine Zukunft.“
Ich glaube kaum, dass sich die durchaus beschissene BRD in irgendeiner Weise mit dem Mubarak-Regime vergleichen lässt. Und nur, weil die BRD zu Mubarak bzw. seinem Geheimdienstmacker Suleiman hält, würde ich ja nicht daraus schließen, dass die Protestler gut sind, sondern eher darauf, dass die BRD eben auf Kontinuität setzt.
Und den Leuten hier vorzuwerfen, dass sie sich bislang nicht mit Ägypten beschäftigt haben, ist sicherlich ein guter Punkt. Doch ich lese hier seit Ewigkeiten und mindestens jeder zweite Artikel handelt von Bürgerrechten, Freiheit, Überwachung, etc.