30-Stunden-Woche: Wie Zeit Online mit den falschen Umfragen rumhantiert

CC-BY-NC Amanito

In einem offenen Brief haben Gewerkschafter, Wissenschaftler, Politiker und viele weitere Einzelpersonen die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich gefordert:

Die neoliberale Umverteilung wäre ohne die lange bestehende Massenarbeitslosigkeit nicht möglich gewesen. Weder in Deutschland noch in einem anderen Land. Ein Überangebot an den Arbeitsmärkten führt zu Lohnverfall.

[..]

Arbeitszeitverkürzung ist keine rein tarifpolitische Aufgabe mehr, sondern ein gesamtge- sellschaftliches Projekt. Die faire Teilung der Arbeit trägt sowohl den Interessen der Beschäf- tigten, als auch der Arbeitslosen gleichermaßen Rechnung. Mit Hinblick auf ihre Wirkung, endlich die Vereinbarung zwischen Familie und Beruf möglich zu machen, ist sie auch ein wichtiger Schritt zur Gleichstellung und eine sinnvolle familienpolitische Maßnahme.

Erwartungsgemäß blies dem offenen Brief von marktradikalen Arbeitnehmervertretern aber auch vielen Medien der Wind heftig ins Gesicht. Schnell wurde der Vorschlag als „weltfremd“ und „gefährlich“ gebrandmarkt.

Als ein Negativbeispiel dieser Berichterstattung kann leider auch Zeit Online gelten. Hier packte man schnell eine Umfrage auf den Tisch, die belegen sollte, dass auch die Bevölkerung den Vorstoß ablehnen würde. So behauptete der Artikel mit der Überschrift „Mehrheit will Arbeit und Freizeit nicht neu verhandeln“:

Ordnen die Deutschen gerade das Verhältnis zur Arbeit neu? Eine repräsentative Umfrage, die ZEIT ONLINE beim Meinungsforschungsinstitut YouGov in Auftrag gegeben hat, scheint das zu widerlegen.

Doch die Fragen der Umfrage waren jene:

  • Sind Sie der Meinung, dass sie zuviel arbeiten? Finden Sie Ihre Arbeitsbelastung unangemessen hoch?
  • Angenommen Ihr Arbeitgeber wäre damit einverstanden: Könnten Sie sich vorstellen, weniger zu arbeiten und dafür auch auf Gehalt zu verzichten?
  • Könnten Sie sich vorstellen, trotz höher Abschläge bei der Rente vorzeitig in Ruhestand zu gehen?

Alle Antworten fielen alle negativ aus. Doch sie passen eben auch nicht zum offenen Brief – zu diesem müsste die Frage nämlich lauten:

Wären Sie bereit bei vollem Lohnausgleich nur 30 statt 40 Stunden in der Woche zu arbeiten?

Hier wäre das Ergebnis wohl ziemlich eindeutig ausgefallen, oder?

Update:
Mittlerweile hat Zeit Online auf Twitter reagiert:

Formal ist das natürlich richtig. Im Artikel wird nicht behauptet, dass die Bevölkerung den 30-Stunden-Vorschlag ablehnt, aber es wird der Eindruck erweckt, dass die Menschen an einer Reorganisation der Arbeit/Freizeit nicht interessiert wären. Für den 30-h-Vorschlag sind dabei die hinzugezogenen Umfrageergebnisse gänzlich ungeeignet, die Platzierung des Artikels am Tag des offenen Briefes und die Referenzierung dazu im Artikel hingegen schafft einen direkten Zusammenhang, der sich aus den dann präsentierten Umfrageergebnissen nicht erschließt.

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