Am Freitagabend demonstrierten etwa 350 Menschen gegen die Zwangsräumung mit Todesfolge in Berlin. Am Dienstag war eine schwerbehinderte 67-jährige aus ihrer Wohnung zwangsgeräumt worden, am Donnerstag Abend verstarb sie in einer Notunterkunft. Ein Arzt hatte zuvor attestiert, dass der schwerbehinderten Rentnerin nichts zumutbar sei. Der Fall sorgt nun bundesweit für Aufsehen.
Auf dieser ziemlich spontanen Trauerdemonstration fällt auf: es fehlen die Nachbarn, die linke Szene bleibt unter sich. Nun liegt das sicherlich an Filterbubbles und Mobilisierungswegen, die meisten Anwohner bekommen von der angekündigten Demo erstmal nichts mit, weil die Information nicht zu ihnen fließt.
Am Freitagnachmittag hängt die Polizei dann großflächig im Kiez rund um die Aroser Allee Zettel an Wohnungstüren. Auf denen steht, selbst zwei Nebenstraßen weiter:
„Die Polizei bittet um Ihre Mithilfe! Sehr geehrte Anwohnerinnen und Anwohner, heute, Freitag, 12.04.13 findet im Bereich Aroser Allee eine Demonstration/Veranstaltung statt. Die Polizei wird diesen Aufzug begleiten.
Wir möchten Sie bitten, darauf zu achten, die Hauseingangstüren geschlossen zu halten, damit Unbefugte das Haus nicht betreten können!“
Vermutlich ging die Polizei einfach von gewalttätigen Auseinandersetzungen aus. Aber die Schilder sagen den Nachbarn durch die Blume: „Gehen Sie dort nicht hin. Achtung, die Chaoten kommen. Heute Abend wird es hier gefährlich!“ Anders lässt sich der hundertfach kopierte Aushang der Polizei kaum interpretieren.
Das Bild verstärkt sich noch, als im gesamten Bereich der Aroser Allee Absperrgitter aufgefahren werden. Die Trauerkundgebung findet eingesperrt in ihnen statt. Der ganze Kiez ist mit Polizeiautos vollgeparkt, Polizisten in Kampfmontur stehen in kleinen Gruppen herum. Nachbarn schauen aus den Fenstern oder hinter den Gittern neugierig auf die abgesperrte Kundgebung. Rein zur Demonstration getraut sich da niemand mehr – außer den üblichen Verdächtigen.
Die Maßnahmen mögen einfach nur auf einer übervorsichtigen Lageinschätzung beruhen, die zu diesem unverhältnismäßigen Auflauf der Polizei führte.
Doch der Effekt ist unverkennbar: wer kein hartgesottener Demofreak ist und keine Erfahrung mit Polizeieinsätzen hat, bleibt da lieber in sicherer Entfernung. Solidarität vom Nachbar nebenan bleibt in dieser blaulichtgeschwängerten Atmosphäre einfach aus.
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