Hält sich die Empörung über Prism & Co. in Grenzen, weil wir die technische Totalüberwachung nicht richtig begreifen können? Zwei lesenswerte Beiträge zu Überwachung und Prism-Skandal beschreiben, warum die technische Totalüberwachung bislang so wenig wütende Menschen auf die Straße treibt:
Das Nuf in „Unmenschliche Überwachung“:
Ein anderer Faktor mag die (mangelnde) Vorstellung automatisierter – computergesteuerter – menschenunabhängiger Überwachung sein. Ein Computer hat schließlich keine Motive, keine Moral, er (korrekter wäre “es”) bewertet nicht. Die Überwachung in der DDR – so wie sie mir bekannt ist (ich bin im Westen zu keinerlei Bezug zum Osten aufgewachsen) hatte dementgegen einen eher menschlichen Schwerpunkt. Technikgestützt, aber es scheint mir so, als hätte hinter der Überwachung ein größerer Aufwand gesteckt. Menschen mussten unter Druck gesetzt werden, Menschen mussten “rumgedreht”, überzeugt werden. ÜberwacherIn für ÜberwacherIn musste rekrutiert werden und wenn am Ende die Überwachung ans Tageslicht kam, dann war damit sicherlich oft ein Gefühl der Enttäuschung verbunden. Der menschlichen Enttäuschung. Ein Schock, ein tiefsitzender Vertrauensbruch. Die Überwachung spielte sich also auf menschlicher Ebene ab. In Interaktionen, in der eigenen Erfahungs- und Erlebenswelt war sie nachvollziehbar.
Auch Christoph Kappes, der in seinem Beitrag „Vertrauen, Verrat und Schatten“ sehr eindrucksvoll beschreibt, wie unsere Gesellschaft durch den Überwachungsstaat Schaden nimmt, geht auf diesen Aspekt der automatisierten Überwachung ein:
Wenn Computer Daten aufzeichnen, geschieht es äußerlich ruhig und ohne irgendein Bewusstsein. Vielleicht ist es deswegen für viele Bürger nicht ganz leicht, diesen Vorgang zu bewerten. Es ist aber richtig, darin ein „Abhören“ zu sehen, weil das Aufzeichnen auf einer menschlichen Entscheidung beruht, fortwährende Tätigkeiten erfordert und auch Teil eines komplexen Vorgehens ist, an dessen Ende wieder Menschen stehen, die Zwecke verfolgen. Die stillen und unbeweglichen Maschinen offenbaren also nicht, dass sie Teil einer Handlung sind. Unsere Bilder von menschenleeren Rechenzentren oder Unterwasserkabeln zeigen uns nicht die Heimtücke, die wir im Alltag sonst gut erkennen können, etwa wenn ein Mensch den anderen von hinten bedroht. Dass digitale Angriffe so heimtückisch sind wie biologische Waffen, das müssen wir erst noch emotional erfassen lernen.