Chelsea Manning hat Präsident Obama um einen präsidentielles Pardon ersucht.
Dies macht weit mehr Sinn, als man auf den ersten Blick vermuten könnte, denn es lassen sich leicht zahllose Präzedenzfälle finden. Einer ist besonders heikel:
Am 31. März 1971 wurde Lt. William Calley von einem amerikanischen Militärgericht wegen dem Mord an 22 vietnamesischen Zivilisten zu lebenslanger Haft verurteilt. Er war der einzige Offizier, der sich für das My Lai Massaker verantworten musste.
Direkt nach dem Urteil gingen tausende Telegramme und Bittschriften im Weißen Haus ein, die Präsident Nixon aufforderten, dass Urteil zurückzunehmen. Calley sei nur ein Sündenbock und überhaupt sei die Strafe absurd. Es war nunmal Krieg, da kommen halt Menschen um…
Nur einen Tag später wurde Calley auf Anweisung Nixons hin aus dem Gefängnis in eine Army Baracke verlegt und unter Hausarrest gestellt. Bevor Nixon 1974 im Watergate Skandal Washington mit Schimpf und Schande verlassen musste, gewährte er Calley ein präsidentielles Pardon und erließ ihm die Haft. Nach knapp dreieinhalb Jahren Hausarrest war Calley wieder ein freier Mann.
Barack Obama hat durch den Gesuch Mannings die Chance, einiges wieder Zurecht zu biegen, was in den letzten Jahren schiefgelaufen ist. Das Argument, dass niemand, auch nicht der mächtigste Mann der Welt, einen ordentlichen Prozess beeinflussen sollte, ist stichhaltig. Nun, da das Urteil in erster Instanz gesprochen ist, gibt ihm die amerikanischen Verfassung jedoch zweifellos das Recht, in diesen Fall einzugreifen.
Ein Pardon, das Mannings Strafe zu „time served“ umwandelt, wäre ein starkes Signal an andere (und zukünftige) Whistleblower. So nachvollziehbar seine Entscheidung auch war: Edward Snowdens Flucht in den Dunstkreis der chinesischen und russischen Geheimdienste hat ihm einiges an Sympathien gekostet. Ihm durch ein solches Pardon eine offene Tür zu zeigen und ihm eine Perspektive in der Heimat zu eröffnen muss eigentlich im Interesse aller sein.
Ganz unabhängig von Interessen jedoch: Es wäre eine unentschuldbare Farce, wenn Pvt. Manning einen Großteil ihres Lebens im Gefängnis verbringen muss, während Lt. Calley mit ein paar Jahren Hausarrest davon kommt. Gnade gegenüber Kriegsverbrechen zu zeigen und dann die zu bestrafen, die diese aufdecken… das kann es echt nicht sein.
Barack Obama soll ein ganz passabler Basketballspieler sein. In diesem Sinne: The ball is now in your court, Mr. President.
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Der Autor Christoph Meister beschäftigt sich mit neuerer amerikanischer Geschichte.