Verwaltungsgericht: Podcast-Bus-Beschlagnahme beim Castor war rechtswidrig (Update)

Das Verwaltungsgericht in Lüneburg hat am heutigen Donnerstag im Podcast-Bus-Verfahren entschieden, dass die Maßnahme der Polizei gegen Redakteure von Metronaut rechtswidrig war. Hamburger Polizisten hatten beim Castor-Transport am 26.11.2011 einen VW-Bus samt Aufnahmeequipment und Laptops für drei Tage beschlagnahmt.

„Strategie der Vertreter der Polizei war bis heute in der Verhandlung, diesen schweren Grundrechtseingriff zu bagatellisieren“ sagt Ulrich Kerner, Rechtsanwalt der beiden Redakteure. Während der Verhandlung versuchte die Vertreterin der Polizeibehörde zudem die Redakteure als dubiose und zweifelhafte Podcaster darzustellen, die keine Pressefreiheit genießen würden. Sie forderte die Abweisung der Klage.

Dem folgte das Verwaltungsgericht nicht.

Eine der Herausforderungen für das Gericht waren die völlig gegensätzlichen Aussagen der Polizisten und der Metronaut-Redakteure in den Akten, in fast jedem Punkt widersprachen sich diese. Das Gericht ging nicht näher auf diese ein und konzentrierte sich auf die unstrittigen Punkte. Obwohl die schriftliche Urteilsbegründung frühestens in einer Woche zu erwarten ist, ließ das Gericht in der Verhandlung durchblicken, warum die Polizeimaßnahme rechtswidrig war:

Die Polizeibeamten hätten die technischen Geräte im Bus weiter überprüfen und Technikexperten zu Rate ziehen müssen, um die „gegenwärtige Gefahr“  genauer zu erforschen. Das ist aber damals nicht passiert, die technischen Geräte im Bus wurden nicht überprüft. Bei der Schwere des Grundrechtseingriffes wäre dies zwingend notwendig gewesen, um eine Sicherstellung des Fahrzeuges und Equipments für drei Tage zu rechtfertigen.  Deswegen sei die gesamte Polizeimaßnahme rechtswidrig gewesen.

Beim Verfahren in Lüneburg waren gleich fünf Vertreter der Polizei anwesend, darunter auch der damalige Einsatzleiter und der Polizist, der die Maßnahme vor Ort durchführte. Als die Polizeivertreterin Letzteren als Zeugen hören wollte, lehnte das Gericht ab: Seine Aussage spiele für die rechtliche Einschätzung des Gerichtes keine Rolle mehr.

Die Metronaut-Redaktion dankt den vielen Menschen, die mit ihren Spenden diesen Prozess gegen die Polizei möglich gemacht haben.

 

Update 24.5.2014

Das Verwaltungsgericht Lüneburg hat heute eine Pressemitteilung veröffentlicht, dort heißt es:

Das Gericht hat die Klage als sog. Fortsetzungsfeststellungsklage als zulässig angesehen und ihr auch in der Sache stattgegeben. Für das Rechtsschutzbedürfnis reiche es aus, wenn die Möglichkeit der Verletzung des Grundrechts der Pressefreiheit bestehe, was der Fall sei. Die Kläger hätten für „Radio Freies Wendland“ und „metronaut“ berichten wollen. Die Klage sei auch begründet. Für die von der Polizei angenommene „gegenwärtige Gefahr“ für die öffentliche Sicherheit hätten hinreichende Tatsachen nicht vorgelegen bzw. hätte die Tatsachengrundlage noch weiter ermittelt werden müssen. Insbesondere sei nicht klar gewesen, was sich an technischer Ausrüstung im Einzelnen in dem Fahrzeug befunden habe. Es habe lediglich die Vorstufe einer Gefahr, ein sog. Gefahrenverdacht vorgelegen, der nur weitere Ermittlungen zugelassen hätte.

Und es gibt folgende Medien-Reaktionen:

 

19 Kommentare

  1. inge f says:

    1. glückwunsch. ein punktsieg, aber immerhin ein sieg. bei diesem hydra-gegner nicht grundsätzlich zu erwarten.
    2. kammerdanochwasmachen? also schadenserstz oder ähnliches für die rechtswidirg entzogenen und deshalb per miete zu ersetzenden mittel fordern?
    3.da tät ich auch glatt nohchmal für spenden…

  2. nk says:

    Herzlichen Glückwunsch an die freien Journalisten von Metronaut/laut! Der wohl beste Sieg, der in so einem Fall möglich war.

  3. Tilman says:

    Tja, so sieht sie aus, die Pressefreiheit hier. Die anderen Journalisten ignorieren dies, berichten statt dessen über die Zustände in der Türkei oder Russland. Immerhin bekommt Ihr jetzt eine schöne Urkunde. Und beim nächsten Mal passiert es erneut.

  4. Hanzwurzt says:

    Glückwunsch zum Urteil. Das sollte weit über die Grenzen von Metronaut hinaus getragen werden, damit das andere kritische Journalisten wieder ermutigt, auch weiterhin kritischen Journalismus zu machen.

  5. piepmatz says:

    War der angebliche Beschlagnahmegrund das Abhören des Polizeifunks, oder weshalb hätte die Technik genauer begutachtet werden sollen?

  6. Obertyp says:

    Das Problem der Polizisten ist, dass sie sich nicht in ihr Gegenüber hineinversetzen können. Für die sind Grundrechte oder Pressefreiheit irgend ein bürokratischer Müll auf Seite 287 in der Dienstanweisung. Wie heftig sich die Grundrechtsverletzung im Einzelfall für ihr Gegenüber anfühlt, peilen sie nicht.

    • fakeraol says:

      Falsch, DEIN Problem ist, daß Du glaubst, Polizisten seien dazu da, Grundrechte und Gesetze durchzusetzen, oder sich in irgendwen hineinzuversetzen.
      Wenn die jemandem den Arm verdrehen, wissen die, daß das weh tut, das ist schließlich der Zweck der Übung, dazu wurden sie ausgebildet.
      Gesetze sind für den „Pöbel“ da, den Plebs (von „Plebiszit“), die Ohnmächtigen. Und die Polizei sind nicht „Gesetzesvertreter“, sondern Vertreter der Obrigkeit gegen die Untertanen (DICH!) , und ihre Aufgabe ist, die Obrigkeit oben, und die Untertanen (mittels der Gesetze der Obrigkeit) unten zu halten.

      • egon krenz says:

        hombre! ohnmächtig sind nur die, die ihre macht nicht nutzen. und team grün irgendwie als über mir stehend zu sehen, finde ich ziemlich bekloppt. ich bezahl die. wir alle bezahlen die. und deine sogenannte obrigkeit bezahlen wir nämlich auch. die arbeiten für uns. wir müssen denen nur irgendwie klarmachen, was wir von denen wollen, sonst stehen se ohne aufgabe da, und fangen an, irgendwelchen quatsch zu machen…

        • hans says:

          ja, „wir“ bezahlen sie alle. es wäre aber ein trugschluss, dass deshalb alle für „uns“ arbeiten. das tun leute nur dann, wenn sie davon ausgehen müssten, dass wenn die arbeit nicht gefällt, die zahlungen ausbleiben.
          „wir“ bezahlen „sie“ also alle, aber „wir“ bezahlen nicht freiwillig.

          zwangszahlung -> nix chef

  7. Lauscher says:

    Herzlichen Glückwunsch für diese krachende Entlastung auf eurer Seite. Mich interessiert auch, ob noch etwas wie Schadenersatz drin ist. Dafür würde auch ich im Rahmen meiner Möglichkeiten spenden. Selbst wenn dabei in absoluten Zahlen ein Minusgeschäft rauskommt, habt ihr das Verfahren durch Spenden finanziert und den Schadenersatz für euch. Und wir alle haben gezeigt, dass wir Rechtsbeugung durch Staatsbeamte satt haben.

    Außerdem interessiert mich, wie begründet wird, dass die Polizisten nicht belangt werden. Ich vermute, falsches Verfahren. Müsstet ihr dafür gesondert klagen?

  8. Vinterblot says:

    Freut mich zu hören.
    Leider ändert das nichts am grundsätzlichen Problem: Die Polizei wird weiterhin Recht brechen und Fakten schaffen, um zum konkreten Zeitpunkt unliebsame Zeugen zu behindern. Dazu kommt die Einschüchterung sowie auch durch die langfristige Beschlagnamung der Gegenstände die Demotivation des Zeugens. Wer einmal sein 500€ Handy beschlagnahmt oder zerstört bekommen hat, hat beim nächsten mal vielleicht keine Lust mehr, Polizeigewalt zu filmen.

    Wenn dann 4 oder 5 Jahre später ein Gericht urteilt, dass das alles nicht so ganz korrekt abgelaufen wäre, schreit kein Hahn mehr danach. Falls man sich überhaupt gegen die Polizei durchsetzen kann. Im Allgemeinen hat man hier ja nicht nur Aussage gegen Aussage, man kämpft auch gegen einen grundsätzlichen Vertrauensbonus bei der Polizei, gegen Korpstreue und gegen eine Organisation, die von staatlicher Seite damit betreut ist, Beweise zu sammeln und zu verwahren und keine Scheu zeigt, diese Beweise im eigenen Sinne zu manipulieren, selektieren oder auch ganz verschwinden zu lassen.

  9. Ernst Gerhard says:

    Riesengroße Gasflasche im Bild, aber von dem Bus ist keine Gefahr ausgegangen ;-)

    • fakeraol says:

      Noch viel schlimmer: unterm Fahrzeug ein Tank mit Kraftstoff, damit hätten sie glatt alle Funkwellen des Polizeifunks aus der Luft rausbrennen können! Terroristen überall, wo bleibt der Hubschraubereinsatz?!

      Zum Glück ist bisher niemand auf die Idee gekommen, „Volksvertreter“und „Gesetzesvertreter“ mal an dem zu messen, was sie tun. Liebe Untertanen, achtet bitte auch weiterhin immer schön auf die Uniformen, die Ausweise, und das sonstige Lametta, und nicht auf den Inhalt.

    • Gefahr im Verzug says:

      Eine 450-Gramm-Campingschraubverschluss-Flasche, die mit einer Gaslampe genutzt wird. Gefährlicher geht´s nimmer!

  10. Tidirium says:

    \o/

    Es ist nicht hoffnungslos!
    :)

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