Geheimdienste: Etat-Erhöhungen nach jedem Skandal

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Die eigentlich logische Vorgehensweise wäre ja, überschreitet ein Geheimdienst Kompetenzen oder produziert Skandale, werden ihm Mittel gekürzt. In der Realität läuft es jedoch ganz anders. Die Verwicklungen von BND und Verfassungsschutz in NSA- und NSU-Skandal führen zu größeren Etats und neuen Stellen.

Der Verfassungsschutz soll 55 neue Stellen durch das IT-Sicherheitsgesetz bekommen und nochmal eine bislang nicht genauer spezifizierte Zahl zur Spionageabwehr.

Dass dies kein Einzelfall ist, und beispielsweise der Verfassungschutz aus jeder Affäre mit mehr Mitteln hervorgeht, zeigt diese Zusammenstellung von Albrecht Maurer, Referent für Innenpolitik im Arbeitskreis III der Fraktion DIE LINKE, die in einem Reader zu Geheimdiensten (PDF) veröffentlicht wurde:

    Aufstellung:

  • Jahr
  • Ereignis
  • BfV-Etat (ab 1983 in Euro und ab 1990 nur die Personalausgaben in Euro)

1950
Gründung
5.220.400 DM

1953
Vulkan-Affäre: Unter dem Operationsnamen »Vulkan« ließ das BfV 30 der Wirtschaftsspionage für die DDR beschuldigte Verdächtige festnehmen – nichts an der Beschuldigung entsprach der Wahrheit. Einer der Verdächtigen erhängte sich in der Haft.
5.326.900 DM

1954
Otto John, der von den Briten gegen den erklärten Willen Konrad Adenauers als erster Verfassungsschutz-
Chef durchgedrückt worden war, geht in die DDR und nennt im Rundfunk die Remilitarisierungspolitik Adenauers als Grund für diesen Schritt. Später kehrt er in die BRD zurück und behauptet, entführt worden zu sein. Im Übrigen soll John für einen Verfassungsschutz ohne geheimdienstliche Aktivitäten eingetreten sein.
7.752.800 DM

1963
»Die Zeit« deckt auf, dass das BfV seit Jahren das Telefon-, Brief- und Fernmeldegeheimnis von Alliierten gebrochen hat und neben anderen auch CDU-Politiker dabei überwachte.
18.815.700 DM

1968-1970
Peter Urbach, Spitzel des LfV Berlin, liefert nach dem Attentat auf Rudi Dutschke Molotow-Cocktails, Sprengsätze und mindestens eine Schusswaffe an linke Studentinnen und Studenten.
23.837.400 DM – 34.055.500 DM

1972
BfV-Chef Hubert Schrübbers muss vorzeitig in den Ruhestand, weil bekannt wird, dass er in die Terrorjustiz des NS-Regimes verwickelt war.
48.104.400 DM

1972
Radikalerlass & Berufsverbote: Etwa 3,5 Millionen Bewerberinnen und Bewerber für den öffentlichen Dienst wurden vom Verfassungsschutz auf ihre politische Zuverlässigkeit geprüft. Es kam zu 11.000 offiziellen Berufsverbotsverfahren, 2.200 Disziplinarverfahren, 1.250 Ablehnungen von Bewerberinnen und Bewerbern und 265 Entlassungen. Der Verfassungsschutz benutzte dazu Kandidatenlisten zu Uni-Wahlen, konservative Professoren waren dabei willige Tippgeber. Willy Brandt, der der Hamburger SPD mit dieser Maßnahme folgte, wollte erst Jahre später das skandalöse an dieser Massenschnüffelei erkennen.
48.104.400 DM
1973:
64.003.500 DM

1974
Drei Monate lang hörte das BfV den Telefonanschluss des Schriftstellers Günther Wallraff ab. Später behauptete das Amt, es habe ihn versehentlich getroffen.
74.358.000 DM

1974-1991
U. Schmücker, V-Mann des LfV Berlin, wird im Grunewald erschossen. Der Prozess um die Erschießung wird zum längsten Strafverfahren der BRD (1976 -1991) und endete mit einer Einstellung, weil das Verfahren durch den Verfassungsschutz massiv manipuliert und behindert wurde. Ihm wird eine Mitwirkung an der Tat angelastet.
74.358.000 DM –
76.924.000 DM

1975-1977
Wanzen-Lauschangriff des BfV gegen Klaus Traube, einen Kritiker und Manager der Atomindustrie. Ihm wurden Kontakte zur RAF vorgeworfen. Fakt: Er kannte eine linke Anwältin und seine Mutter war in der KPD. BfV und Ministerium sorgten für seine Entlassung bei Siemens. Innenminister Maihofer (FDP) musste im Gefolge dieser Aktionen zurücktreten.
75.942.000 DM –
90.250.000 DM

1978-1986
Aktion »Feuerzauber« des niedersächsischen LfV: Das LfV ließ durch die GSG9 ein Loch in die Gefängnismauer in Celle sprengen. Ziel war es, Informanten (Kriminelle, die der Verfassungsschutz gewonnen hatte) an einen dort einsitzenden Gefangenen der RAF heran zuspielen.
134.168.000 DM
107.088.000 Euro!

1980
Militante Demonstrationen in Bremen gegen die wiedereinsetzenden öffentlichen Rekrutengelöbnisse der Bundeswehr. In die Vorbereitungsgruppe schickten das LfV Bremen und der MAD – ohne voneinander zu wissen – jeweils ihren Agenten. Sie sollen besonders militant aufgetreten sein und so die Eskalation befeuert haben.
134.92.000 DM

1982
Der bayrische LfV-Chef Langemann bietet professionellen Nachrichtenhändlern unter anderem Unterlagen an, die ein verzweigtes Netz von Agenten und Mitarbeitern des amerikanischen Geheimdienstes CIA, des britischen Geheimdienstes SIS und des französischen Geheimdienstes SDECE belegen und das Franz Josef Strauß zum Wahlsieg verhelfen sollte.
155.865.000 DM

1983
Ein V-Mann des LfV Berlin hat als Agent Provokateur die sogenannten Krefelder Krawalle im Zusammenhang mit dem Besuch des US-Präsidenten Ronald Reagan angeheizt.
86.289.000 Euro

1984
Im Zusammenhang mit dem Fall Tiedge, der im BfV für die Abwehr der DDR-Spionage zuständig war und sich in die DDR abgesetzt hat, wird bekannt, dass BMI-Staatssekretär Spranger das BfV beauftragt hatte, über die Grünen Bundestagsabgeordnete Dossiers anzufertigen.
91.248.000 Euro

1989
Der Berliner Innensenator Pätzold lässt die Arbeit des LfV überprüfen. In 14 Berichten werden Verfehlungen
aufgelistet, die von der Bespitzelung von Journalisten über die Ausspähung von Parteien und Parlamentariern bis zu illegaler Aktenvernichtung reichen.
106.891.000 Euro

1993
Der V-Mann des rheinland-pfälzischen LfV Steinmetz, der schon 1985 angeworben wurde, liefert die notwendigen Informationen, die zum Tod bzw. der Festnahme der RAF-Mitglieder Grams und Hogefeld und dem Tod des GSG9-Beamten Newzella in Bad Kleinen führen.
82.337.000 Euro

1996
Vermutlich in diesem Jahr wird der Neonazi Dienel vom Thüringer LfV angeworben. Der Verfassungsschutz finanziert sein Propagandamaterial. Im Jahr 2000 muss der LfV-Chef Roewer unter anderem deshalb zurücktreten.
85.298.000 Euro

2001
Das Verbotsverfahren gegen die NPD wird eingeleitet und scheitert im Jahr 2003 daran, dass auch die Führungsebenen der Partei von V-Leuten durchsetzt sind.
86.535.000 Euro –
98.603.000 Euro

2006
Es wird bekannt, dass das Berliner LfV das Berliner Sozialforum mit mehreren Spitzeln durchsetzt und jahrelang beobachtet hat.
103.294.000 Euro

Im Jahr 2012 erhielt das Bundesamt für Verfassungsschutz einen Zuschuss von rund 210 Millionen Euro. Es geht voran für die Geheimdienste – komme, was wolle.

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