Es war ja zu befürchten, dass es nach den Anschlägen von Paris nicht lange dauern würde bis die Instrumentalisierung der Opfer für Ziele des Grundrechtabbaus beginnen würde. Keine 24 Anstandsstunden wartete die notorische DPolG, kurz darauf folgten CSU und CDU mit Forderungen nach Überwachung, Vorratsdatenspeicherung und Fluggastdatenaustausch. Sogar Stasi 2.0 -Schäuble, seines Zeichens ja eigentlich Finanzminister, wagt ein innenpolitisches Comeback auf dem Rücken der ermordeten Comic-Zeichner und jüdischen Supermarkteinkäufer. Es ist widerlich. Zumal Frankreich eine superharte Vorratsdatenspeicherung hat – und das augenscheinlich nicht vor Terror schützt.
Den skrupellosen Scharfmachern und Leichenfledderern kann man jetzt diesen Text, den Chaos Computer Club, Digitale Gesellschaft, Humanistische Union und RAV zusammen geschrieben haben, entgegenhalten:
Am 7. Januar 2015 ereignete sich in Paris ein Mordanschlag auf mehrere Mitarbeiter des Satire-Magazins “Charlie Hebdo”. Unsere Gedanken sind bei den Opfern, ihren Familien und Freunden. Wir verurteilen diesen mehrfachen Mord als unerträglich und werten ihn als Anschlag auf die Pressefreiheit, auf die Freiheit der Gedanken und die Freiheit der Ausdrucksformen von Gesellschaftskritik.
Die Reaktion auf eine solche Tat stellt eine demokratische Gesellschaft auf eine harte Probe. Emotionale Reaktionen auf einen solchen Schrecken sind vor allem eines: menschlich. Doch Emotionen dürfen nicht die Debatte und Politik bestimmen. Wer jetzt versucht, den Schock des Mordanschlags politisch auszunutzen und “Anti-Terror-Gesetze” aus der Schublade zu holen, kann vielleicht auf medialen und gesellschaftlichen Zuspruch hoffen.
Doch es ist der falsche Weg mit Gesetzen zu reagieren, die mehr “Sicherheit” vorgaukeln, aber letztlich nur die Freiheit an sich einschränken werden. Niemandem darf signalisiert werden, dass man mit Mordanschlägen Freiheitsrechte wegschießen könne. Ohnehin gäbe es keine sinnvolle gesetzliche Reaktion auf die Morde, die das Leben der Opfer hätte retten können. Wir dürfen nicht vergessen, dass Frankreich zu den europäischen Ländern mit den schärfsten Sicherheitsgesetzen zählt, schon 2006 Vorratsdatenspeicherung, Überwachung von Fluggastdaten und flächendeckende Videoüberwachung einführte und diese Maßnahmen trotzdem nicht zur Verhinderung der Tat führten. Wer angesichts dessen nun gleichwohl die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung fordert, instrumentalisiert die Opfer dieses abscheulichen Verbrechens für seine Zwecke und trägt zur Irreführung der Öffentlichkeit bei.
Den in solchen Situationen gern wiederholten Forderungskatalog der Polizeien, der Geheimdienste, ihrer kommerziellen Helfer und ihrer politischen Vertreterinnen und Vertreter nach weitreichenden Menschenrechtseinschränkungen zeichnet vor allem eines aus: unbewiesene oder gar nachweislich falsche Behauptungen über seine angebliche Wirksamkeit gegen terroristische Anschläge. Im direkten Angesicht des Verbrechens rational zu reagieren, kann nur bedeuten, unmenschlichen Taten Besonnenheit und Gelassenheit entgegenzusetzen. Es muß gelingen, zu einer evidenzbasierten, menschenrechtsorientierten Sicherheitspolitik zurückzukehren, die Prävention, Wirksamkeit, Angemessenheit, Verhältnismäßigkeit und rechtsstaatliche Prinzipien ins Zentrum der Diskussion stellt.
Auch in Anbetracht von Anschlägen dürfen die Grundfesten der Demokratie niemals aufgegeben werden: Menschen- und Freiheitsrechte sind der Kern und das Wesen demokratischer Gesellschaften. Wer sie in Folge solcher Mordanschläge einschränkt, abbaut oder in ihr Gegenteil verkehrt, hilft indirekt denjenigen, die Anschläge verüben. Jede Reaktion, die Grundrechte und Freiheiten abbaut, ist eine Aufwertung des Terrors und der Folgen, die er mit sich bringt.
Wir haben großen Respekt vor den Worten des damaligen norwegischen Ministerpräsidenten Stoltenberg, der nach dem Anschlag von Oslo und den Morden von Utøya sagte: „Noch sind wir geschockt, aber wir werden unsere Werte nicht aufgeben. Unsere Antwort lautet: mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit.”
Die Reaktionen auf derartige Anschläge sind hinreichend bekannt. Immer mehr Geld für den Kampf gegen den internationalen Terrorismus, insbesondere für die Geheimdienste. Doch was ist deren Verdienst? Was haben sie gegen die Attentäter des 11/9 unternommen, bevor selbige die Apokalypse von New York auslösten? Sie, die den Geheimdiensten seit langer Zeit bekannt waren, agierten völlig frei und zogen eine Spur hinter sich her, wie eine Elefantenherde. Nicht auffälig genug für ein Dutzend Geheimdienste der USA und denen der blinden verbündeten Dienste. Was hat das mit Paris zu tun? Nun, auch hier hatte man zumindest die mörderischen Brüder auf dem Schirm und tat das Gewohnte, – nichts. Nur ein verlorener Personalausweis erinnerte die Dienste wieder daran, dass es sich um gefährliche Charaktere handelte. Ein Hoch auf diesen und viele andere Zufälle, welche die Fahndung erleichterten.
Fazit. Die Milliarden verschlingenden Geheimdienste und anderen Sicherheitsbehörden, konnten das Schlimmste nicht verhindern, wobei uns das wirklich Schlimmste noch bevorstehen mag. Die immer wieder gern vorgebrachten Behauptungen, man hätte viele Anschläge verhindert, sind angesichts der Tatsachen kaum glaubhaft, noch nachprüfbar. Fakt ist, das alles, was der Westen bisher gegen den Terror unternommen hat, die Welt nicht friedlicher, wohl aber radikaler und mörderischer gemacht hat. Geht man in der Geschichte zurück, wird deutlich, dass die Grundlagen für den Terrorrismus sogar bewusst selbst gelegt wurden.
Manchmal frage ich mich ernsthaft, ob die islamistische Terrorszene tatsächlich so bescheuert ist, nicht zu erkennen, dass sie dem Ansehen des Islam, wenn er über so etwas in den letzten 400 Jahren überhaupt verfügte, ausschließlich Schaden zufügt. Sollte Çui Bono nicht für Islamisten gelten, oder sind wir alle nur Opfer eines Scheins, dem es immer wieder gelingt, sein Wesen zu verbergen?