Vor 25 Jahren, am 15. Januar 1990, stürmten DemonstrantInnen die Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in Berlin-Lichtenberg. Die Macht des stalinistischen SED-Regimes war endgültig gebrochen. Den Weg dahin hatten die DDR-Oppositionellen bereitet. Mit einer kostenlosen Smartphone-App kann man sich nun in Ostberlin auf ihre Spuren begeben.
Ein Gastbeitrag von Alexandre Froidevaux
Zu Beginn des Jahres 1990 war die Mauer bereits Geschichte. Hans Modrow hatte den SED-Hardliner Egon Krenz als Regierungschef abgelöst und im ganzen Land diskutierten Runde Tische die anstehenden Fragen. Im Frühjahr sollten freie Wahlen stattfinden. Doch in Lichtenberg gingen die StasibeamtInnen weiter zur Arbeit.
Am Abend des 15. Januar folgten über 10 000 Menschen einem Aufruf des Neuen Forums, sich vor der MfS-Zentrale zu versammeln. Kurzerhand stürmten die DemonstrantInnen das Gebäude und verwüsteten ungeachtet aller Aufforderungen zur Zurückhaltung die Inneneinrichtung. Groß war die Wut auf die Stasi, welche die DDR-BürgerInnen so lange schikaniert hatte.
Die Revolution hätte es ohne die Menschen nicht gegeben, die unter hohem persönlichen Risiko bereit waren, sich gegen die stalinistische Diktatur aufzulehnen. Nach der Ausbürgerung Wolf Biermanns 1976 und dem Hausarrest für den Dissidenten Robert Havemann waren in den 1980er Jahren neue oppositionelle Gruppierungen aufgetaucht.
BürgerrechtlerInnen, UmweltschützerInnen und FriedensaktivistInnen machten durch öffentlichkeitswirksame Aktionen auf sich aufmerksam. Punks und BlueserInnen entzogen sich der Gleichförmigkeit der „sozialistischen“ Gesellschaft.
Lange blieben die engagierten Oppositionellen weitgehend unter sich. Noch im Sommer 1989 protestierten nur kleine Gruppen gegen die Fälschung der Kommunalwahlen vom Mai desselben Jahres. Im Herbst jedoch gewannen die Proteste im ganzen Land zunehmend an Kraft – mit den bekannten Ergebnissen.
„Der Mehrheit der Bevölkerung ging die Veränderung nicht schnell genug. Vielleicht ist heute auch deshalb das Verdienst der Bürgerrechtsbewegung fast in Vergessenheit geraten“, stellt der Historiker Wolfgang Leonhard fest. Tatsächlich waren viele RevolutionärInnen AnhängerInnen eines „dritten Weges“. Sie wollten nicht die kapitalistischen Warengesellschaft einführen, sondern im ostdeutschen Teilstaat Demokratie und Sozialismus miteinander vereinen.
Doch eine Mehrheit sehnte sich nach den Verheißungen des Westens und wünschte die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten. Bei den ersten (und letzten) freien Volkskammerwahlen am 18. März 1990 erhielten die Gruppierungen, die auf eine Reform der DDR setzten, nur wenige Wählerstimmen.
Auf der transmedialen Stadttour „DDR-Opposition in Ostberlin“ können Interessierte nun mehr erfahren. Anhand von historischen Orten wie der Samariterkirche und Ausstellungen wie der des Jugend[widerstands]museums (Friedrichshain) wird die Geschichte der Widerständigen erfahrbar. Die App bietet neben informativen Texten zahlreiche Abbildungen, Videos und Audios zum Thema.
Die Oppositionellen waren in der DDR einer umfangreichen Überwachung durch das MfS ausgesetzt. Kaum eine Widerstandsgruppe, in der nicht irgendein Informeller Mitarbeiter Informationen an die Staatssicherheit weitergab. Die StasiagentInnen operierten mit Einschüchterung und psychologischer Zersetzung, in ihren Gefängnissen auch mit „weißer Folter“: Isolationshaft, Dauerbeleuchtung, Scheinhinrichtungen.
Nach dem 15. Januar 1990 kämpften die BürgerrechtlerInnen dafür, die Stasiakten für alle von „operativen Maßnahmen“ Betroffenen frei zugänglich zu machen. Das war damals umstritten. Um ihren Forderungen Gehör zu verschaffen, besetzten Ingrid Köppe, Bärbel Bohley und weitere MitstreiterInnen im September 1990 erneut die ehemalige MfS-Zentrale. Mit Erfolg. Am Tag der Wiedervereinigung, dem 3. Oktober 1990, wurde die Stasiunterlagenbehörde gegründet.
Die ehemalige MfS-Zentrale beherbergt heute das Stasimuseum. Ab dem 17. Januar 2015 wartet es mit einer neuen Dauerausstellung auf.
Die App „DDR-Opposition in Ostberlin“ kann kostenlos bei iTunes (iOS) oder Google Play Store (Android) auf Smartphones und Tablets heruntergeladen werden.
Transparenzerklärung: Die App wurde vom Autor dieses Beitrages erstellt.