Genau ein Jahr nach dem Start von Pegida – und damit viel zu spät – stellen sich nun alle im Bundestag vertretenen Parteien geschlossen gegen die Rassistenaufmärsche aus Dresden. Es wird öffentlich die Beobachtung durch den Verfassungsschutz gefordert. Während anfangs bis in die SPD hinein versucht wurde, Pegida als Gesprächpartner zu umwerben, wird jetzt Pegida von den ehemaligen Brautwerbern in die Ecke gestellt, wo sie seit Anfang an hingehört: ins rechtsradikale und rassistische Lager.
Interessant ist dabei, dass die Pegida-Rassisten Teile ihres Programms auf die Agenda setzen und durch die Große Koaltion umsetzen lassen konnten:
- eine deutliche Verschärfung des Asylgesetzes (unter Tolerierung der Grünen im Bundestag)
- Einführung so genannter Transitzonen (Flüchtlingsgefängnisse an den Grenzen)
Die rechtsradikale Bewegung konnte insgesamt an Stärke und Selbstbewusstsein gewinnen. Indikatoren dafür sind:
- eine rechte Normalität im Fernsehen, die sich in Dauerpräsenz der AfD in Talkshows manifestiert
- rechtsradikale Forderungen und rassistische Aussagen in der CSU
- Aufgreifen ihrer Themen (Asylbegrenzung) bis in die grüne Partei hinein (Palmer, Habeck)
- ein Dammbruch bei rassistischen Anschlägen und Straftaten
- Umfragewerte von 8% für Pegidas politischen Arm, die AfD (23.10. infratest dimap)
- eine zumindest vordergründige Einheit in der rechten Szene
Wenn man sich die Texte „Brief an alle alten Kämpfer“ und „Warum wir die Macht übernehmen müssen“ in der neurechten Postille „Blaue Narzisse“ durchliest, merkt man, dass Teile der Rechten vor Stärke kaum noch laufen können. Man wähnt sich am Beginn einer deutschen Revolution, es wird von der Machtübernahme geträumt und dass man sich darauf vorbereiten müsse eine Staatselite zu formen. Gleichzeitig appellieren die Autoren an die Geschlossenheit der Bewegung, fordern „alte Kämpfer“ zum Mitmachen auf und schreiben der AfD für diese Revolution eine entscheidende Rolle zu.
Die Strategie im rechten Lager hat sich geändert. Pegida und AfD vollstrecken das, was von der NPD mit ihrer Bürgerlichkeitsannäherung vor Jahren begonnen wurde:
- zumindest vordergründig soll auf rassistische und antisemitische Parolen verzichtet werden
- es wird mit den „Besorgten Bürgern“, die weiterhin häufig medial als Asylkritiker bezeichnet werden, auf bürgerliche Anschlusspunkte gesetzt
- ideologische Bezugspunkte beziehen sich auf die Zeit vor dem Nationalsozialismus (Konservative Revolution), weil das Dritte Reich nicht mehr für eine Massenbewegung taugt.
Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere ist, wie es dazu kommen konnte. Die viel zu späte Abgrenzung zu Pegida sieht jetzt aus, wie ein „Danke für den Druck auf der Straße, den wir für eine härtere Asylgesetzgebung nutzen konnten – aber jetzt ist aber auch mal Schluss“. Pegida, AfD und die Oldschool-Nazis, die sich hinter ihnen verstecken, können sich über einen politischen Teilerfolg freuen – auch wenn jetzt die Daumenschrauben von politischer Ächtung, geheimdienstlicher Beobachtung und Repression angezogen werden. Eine verstetigte rechtsradikale Bewegung hat sich in diesem Land etabliert. Es ist nicht so, dass nicht viele Stimmen schon seit Langem genau davor gewarnt hätten.
Demo-Tipp:
Wer sich den Rassisten auf der Straße entgegenstellen will: Am 7. November plant die AfD den Höhepunkt ihrer „Herbstoffensive“, sie will mit 10.000 Menschen in Berlin demonstrieren. Es sind jede Menge Gegenaktivitäten angekündigt.