Die Folgen von Köln für die Bürgerrechte (Update)

CC-BY Veit Schagow (Flickr)

Nach den Silvester-Vorkommnissen von Köln kommen jetzt verschiedene Gesetzesverschärfungen auf den Tisch, die einen weiteren massiven Grundrechteabbau verheißen. Neben der routinemäßig geforderten Ausweitung der Videoüberwachung, sind weitere Verschärfungen im Gespräch.

Der CDU-Vorstand fordert in der am Samstag erscheinenden „Mainzer Erklärung“ (PDF) einen besonderen Schutz für Polizei und Rettungskräfte. Diesen gibt es mit den Paragrafen §113 und §114 Strafgesetzbuch (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) heute schon, er wurde 2011 sogar noch einmal verschärft.

Ein weiterer Straftatbestand zum Schutz von Vollstreckungsbeamten ist aus Sicht einer freiheitlichen Gesellschaft hoch problematisch. In der CDU-Forderung ist einerseits von einer Verschärfung der Ordnungswidrigkeit bei „respektlosem Verhalten“ gegenüber der Polizei die Rede, und andererseits von einem speziellen Paragrafen bei Gewalt.

Schutzparagraf 112 verstößt gegen Gleichheitsgrundsatz

Letztere wird in dem vom schwarz-grünen Hessen im Bundesrat forcierten Schutzparagraf 112 behandelt. Dieser Paragraf  (Gesetzentwurf als PDF) wertet gewalttätige Angriffe auf Polizisten nicht nur als Körperverletzung oder ähnliches, sondern setzt einen zusätzlichen Paragrafen obendrauf, für den ein Angreifer dann angeklagt wird. In der Hessener Bundesratsinitiative ist von mindestens 6 Monaten bis maximal 10 Jahren Freiheitsstrafe die Rede.

Eine solche gesetzliche Regelung birgt gleich zweierlei Probleme: Erstens verstößt sie gegen den Gleichheitsgrundsatz. Dieser sieht vor, dass ein Angriff auf einen Menschen ein Angriff auf einen Menschen ist, und es keine Rolle spielt, wer der Betroffene von Gewalt ist. Alle Menschen werden vor dem Gesetz, so zumindest die Theorie, gleichbehandelt.

Versteckte Einschränkung des Demonstrationsrechts

Zweitens wird ein solches Gesetz eine Einschränkung des Demonstrationsrechts bedeuten. Es kommt auf Demonstrationen schnell – egal, wer angefangen hat – zu Rangeleien und unübersichtlichen Situationen. In solchen Fällen müssen Demonstrierende direkt mit empfindlichen Strafen rechnen. Der Schutzparagraf sieht keine Geldstrafe vor, sondern nur Freiheitsstrafe. Für die Protestpraxis des im Charakter friedlichen zivilen Ungehorsam bedeutet ein solcher Paragraf eine deutlich höhere Teilnahmehürde. Auch könnte der neue Paragraf Menschen überhaupt davon abhalten, demonstrieren zu gehen.

Hinzu kommt, dass bei der bisherigen Praxis von Polizeigewalt – bei der die Polizei oftmals eine Gegenanzeige samt Widerstand gegen die Staatsgewalt stellt – ist damit zu rechnen, dass der neue Straftatbestand oben draufgesetzt wird.

Schleierfahnung ausweiten: Jeder ist verdächtig

Das CDU-Paket bringt aber noch weitere Härten für die Grundrechte. So will die Regierungspartei eine Ausweitung der Schleierfahndung „bei erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ – zum Beispiel an Silvester oder dann beim Kölner Karneval.

Unter Schleierfahndung versteht man die verdachtslose und anlassunabhängige Möglichkeit für die Polizei, Menschen zu kontrollieren und zu durchsuchen. (siehe dazu auch diesen spannenden Artikel von Martin Herrnkind PDF) Die Einführung der Schleierfahndung wurde mit der Öffnung der EU-Innengrenzen begründet, galt ursprünglich nur im Grenzbereich und wurde dann sukzessive ausgeweitet. Schleierfahndung ist unverhältnismäßig, da sie jeden potenziell verdächtigt. Hinzu kommt das Problem, dass sie die Praxis des Racial Profiling begünstigt.

Ursprünglich war die rechtliche Situation in Deutschland mal so, dass die Polizei niemanden ohne konkreten Anlass und Verdacht behelligen darf. Schön waren die Zeiten.

Schneller in den Knast

Weitere Forderungen des CDU-Vorstands sehen vor, dass schneller Untersuchungshaft angeordnet werden kann. Bislang musste eine dringender Tatverdacht vorliegen,  die CDU will dass Menschen schon bei einem hinreichenden Tatverdacht in U-Haft gesteckt werden können. Auch das eine deutliche Verschärfung.

Dies sind nur ein paar ausgewählte Forderungen, die jetzt auf den Tisch kommen. In der hysterischen Debatte zu Köln, bei der sich einerseits die Regierungsparteien in Verschärfungsforderungen insbesondere auch des Asylrechts überschlagen, und andererseits Rechtspopulisten von AfD über CSU bis Focus die  Stimmung anheizen, ist in den nächsten Monaten nichts Gutes für Grund- und Bürgerrechte zu erwarten.

Update 9.1. – 12:55
Im finalen Papier hat die CDU noch eine Verschärfung eingebracht: Asylbewerber sollen von der Asylberechtigung bzw. der Flüchtlingseigenschaft ausgeschlossen werden, wenn sie zu einer Freiheitsstrafe auch unter Bewährung verurteilt werden. Im ursprünglichen Papier sollte dies erst ab einer Strafe ohne Bewährung geschehen.

Gleichzeitig fordert die CDU ein „Ein- und Ausreiseregister für die EU-Grenzen“ und die Erweiterung von Europol um ein europäisches Anti-Terror-Zentrum. Und es geht noch weiter: Die Daten aus der Vorratsdatenspeicherung sollen vom Verfassungsschutz genutzt werden dürfen und die Quellen-TKÜ – also den Einsatz von Staatstrojanern – ausgebaut werden. Weiterhin fordert die CDU die Befugnisse zur „Online-Durchsuchung“ durch den Verfassungsschutz und eine rasche Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung der Fluggastdaten.

9 Kommentare

  1. dot tilde dot says:

    jetzt nehmen die uns auch noch unsere bürgerrechte weg!!!1!

    .~.

  2. Bernd says:

    So ähnlich hat es in den 30ern auch angefangen…
    Kein Wunder, es ist ja immer noch der gleiche Menschenschlag an der Macht.
    Und hinterher wars wieder keiner und jeder ist total überrascht.

    Arbeitslager für Flüchtlinge und Arbeitslose in 3, 2, 1…

  3. Martin Daniken says:

    Erstmal sollten personelle finanzielle Fragen gestellt werden, denn wenn die Terror Abwehr vorgeht bleibt es bei netten Lippenbekenntnissen? !
    Gerichte sind überlastet,soweit mir bekannt.

  4. Martin Daniken says:

    „Gute“ Flüchtlinge könnten deutsche besorgte ängstliche Bürger begleiten um sie so vor den „Bösen“ zu schützen! Nee wird nie passieren.

  5. joachim raeder says:

    Nach Beginn des Artikels über den „Gleichheitsgrundsatz“ habe ich aufgehört zu lessen.

    Der Gleichheitsgrundsatz gebietet, gleiche Rechtssachverhalte gleich zu behandeln.
    Es ist aber NICHT gleich, ob irgendeine beliebige Person oder ein im Staatsauftrag handelnder Polizist angegriffen wird.
    Dieser Polizist handelt für die Gesellschaft und hat daher selbstredend den höchsten Schutz vor Übergriffen durch diese Gesellschaft zu erhalten.

  6. Martin Daniken says:

    Der sehr schöne Gleichheitsgrundsatz kollidiert aber mit dem hässlichen Realitätsgrundsatz und Machtverhältnissen! Einfach gesagt. Manche sind eben gleicher ;-)

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