Mir geht es ja so, dass ich mich morgens immer am Meisten aufrege. Das Radio läuft, es kommen Nachrichten, ich schaue mit dem Kaffee in der Hand bei Twitter vorbei und klicke mich durch Onlinezeitungen. Und fast jeden Morgen überkommt mich der Zorn. Seien es brutale Polizisten aus den USA, die sich per Twitter auf den Frühstückstisch einschleichen, irgendeine weitere bodenlose Ungerechtigkeit, die irgendwo im Netz geschildert wird, die plötzlich auftauchende Stimme von Frau von der Leyen im Radio. Irgendwelche Politiker-Statements, die so austauschbar sind, dass ich sie beim nächsten Schluck Orangensaft schon wieder vergessen habe. Irgendjemand nimmt die Sorgen der Bürger Ernst, in Maribor wollen sie jetzt lokales Gemüse anbauen, in Syrien ist eine Journalistin verschwunden, ein abgehalfterter Wirtschaftslobbyist gibt die neuesten Wasserstandsmeldungen in Sachen Gefährlichkeit des Mindeslohns. So weit. So Alltag.
Doch am allerschlimmsten morgens ist Spiegel Online. Es sind nicht die Inhalte der Nachrichten, die meine morgendliche Abscheu erwecken, sondern die Art und Weise, wie Nachrichten aufbereitet werden. Der Marktführer, der mit skandalheischendem Idiotenjournalismus, dem halbgebildeten Akademiker das wohlige Gefühl geben will, man informiere sich. Nicht, dass die Printversion deutlich besser wäre. In Sachen wirtschaftsgläubig-reaktionärem Weltbild schenken sich die beiden Publikationen nicht viel. In beiden Erzeugnissen pointiert man die Artikel mit dem gut erlernten Handwerk, Teile der Fakten zu unterschlagen und andere polarisierend aufzubohren. In beiden gibt es Informationskultur zum Abgewöhnen. Reichlich.
Während also morgens und online der abgeschmackte schwarzgekleidete Rechtaußenprovokateur mit der Monokel-Brille sein tausendfach aufgewärmtes Linken-Trauma auftischt, wird an anderer Stelle eine demokratische Volksabstimmung in Griechenland zum Störmanöver deklariert. Tödlich brisant peitscht Netanjahu den bitteren Scherbenhaufen in die flüchtige Bruchlandung. Draufhauen statt Dialog, roh und direkt. Ein Power-Test für das Herz. Wir zittern schon in chaotischer Angst vor dem nächsten Skandal, der uns nur zwei Artikel entfernt eiskalt und massiv erwischen wird. Ein Ah und Oh für die Kuschelmuschel, möchte man schreien, und wird schon im nächsten Augenblick von trinkfreudigen Ärzten im Pixelkrieg erschlagen.
Wer bei Spiegel Online die Headlines schreibt, muss aus einem klickstatistisch zertifizierten Fundus von 50 Adjektiven wählen, damit nicht die Meldung „Pflichtwort vergessen“ beim Veröffentlichen auf dem Bildschirm erscheint. Was bleibt, ist das schale Gefühl, dass alles extrem wichtig ist und doch nichts so wichtig, wie die nächste Klickstrecke mit Heidi Klums Halloweenkostüm.
Ihr mögt jetzt altklug sagen: „Hey Mikael, komm mal runter. SpOn-Bashing ist ja sowas von Eighties. Und darüber schreibst Du einen Artikel?“ Mag ja sein, dass ihr da schon viel weiter seid. Ihr, die ihr dem nächsten Trend schon vier Tweets voraus seid. Mir ist das egal, denn ich bin verdammt froh. Verdammt froh, dass mich diese feist-selbstgerechte, widerwärtige Online-Publikation mit ihren roten Lettern jetzt endlich soweit hat, dass ich da freiwillig nicht mehr drauf gehe.
Das hat den Vorteil, dass ich mich wieder über die Inhalte der Nachrichten aufregen kann – und nicht über ihre Dareichungsform. Damit ist viel gewonnen.
Spiegel Online Symbolbild: CC-BY-SA mugley