Nazi-Verbunddatei: Auch die Erfassung von Nazis ist ein Angriff auf die Bürgerrechte

Jetzt ist sie also da, die neue “Verbunddatei Rechtsextremismus”. Polizeibehörden, Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern und auch der militärische Abschirmdienst sollen diese Datei füttern mit „gewalttätigen“ und „gewaltbezogenen“ Personen. Gleichzeitig haben diese Stellen auch Zugriff auf die neue Datei.

Mal abgesehen davon, dass die Datei die einzige Konsequenz aus den Nazi-Morden der NSU und der staatlichen Verstrickung in diese ist, sind solche Dateien aus bürgerrechtlicher Sicht gleich mehrfach schwierig. Erstens heben sie schleichend das Trennungsgebot zwischen Geheimdiensten und Polizeien auf, zweitens geraten immer auch Menschen in die Datei, die nie eine Straftat begangen haben.

Aus bürgerrechtlicher Sicht ist mir erst einmal egal, gegen wen sich so eine Datei oder Dateiverbund richtet. Denn was gegen „Rechts“ geht, kann auch ganz schnell gegen „Links“ eingeführt werden. Ein Beispiel für so eine Ausweitung von Dateien ist die so genannte BKA-Hooligandatei (Datei „Gewalttäter Sport“), die nach der Weltmeisterschaft 1998 eingeführt wurde. Nur kurze Zeit später wurde die Datei um die Kategorien Limo („Linksmotivierte Gewalttäter“), Remo („Rechtsmotivierte Gewalttäter“) und Aumo („Politische Ausländerkriminalität“) ergänzt. Diese Dateien stehen jedem Polizisten zu jeder Zeit zur Verfügung.

Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden wie auch Geheimdienste sind immer an einer großen Datenfülle wie auch an einer großen Anzahl von Einträgen interessiert. Das kritisierte auch schon der ehemalige Datenschutzbeauftragte, Joachim Jacob:

„Da wird der Wunsch deutlich, möglichst viele Informationen zu haben und den Bogen der Verdächtigen möglichst weit zu spannen.“

Ein Beispiel aus dem Bekanntenkreis zeigt, wie einfach man zum „linksmotivierten Gewalttäter“ werden kann – ohne jemals Gewalt ausgeübt zu haben:
Als 16-jähriger beteiligte sich Lisa* (Name geändert) an einer Gegendemonstration gegen die NPD irgendwo in Hessen. Bei dieser Demo geriet Lisa irgendwann in eine Personenkontrolle. Wenig später wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und versuchter Gefangenenbefreiung gegen sie eröffnet. Im späteren Gerichtsverfahren sprach sie der Richter jedoch frei. Der Anwalt von Lisa verlangte eine Löschung der Daten, da seine Mandantan augenscheinlich und durch ein Gericht bestätigt unschuldig war. Dennoch geriet Lisa in die Datei „Linksmotivierte Gewalttäter“ – und ist dort bis heute gespeichert. Bei jeder Ausweiskontrolle, ob nun mit Bezug zu einer Demo oder ohne, zieht dieser Eintrag weitere Kontrollen und Schikanen nach sich. Auch zehn Jahre später muss Lisa mit einer Vorverurteilung und diskriminierende Behandlung durch Polizeibeamte rechnen. Und das nur, weil sie als Jugendliche auf einer Demo aufgegriffen wurde.

Solche Fälle gibt es tausendfach. Die nun bei der Nazi-Datei getroffene Definition, neben „gewalttätigen“ auch „gewaltbezogene“ Personen aufzunehmen, öffnet dieser Praxis Haus und Hof. Der Unterscheid zwischen „gewaltbezogen“ und der ursprünglich von Innenminister Friedrich geforderten Erfassung „gewaltbereiter“ Personen erschließt sich nicht.

Thomas Stadler schreibt deswegen treffend:

Nun ist der Begriff der gewaltbezogenen Personen bislang allerdings weder geläufig, noch erschließt sich seine Bedeutung ohne weiteres. Personen die einen Bezug zur Gewalt haben? Das wäre womöglich aber noch weiter als gewaltbereit.

Weil man sich nicht einigen konnte, hat man offenbar einen unbestimmten Rechtsbegriff durch einen anderen, weniger geläufigen ersetzt und überlässt die Auslegung zunächst den speichernden Polizeibehörden und irgendwann natürlich den Gerichten, sollte jemand gegen seine Aufnahme in die Datei klagen. Damit wird wohl in der Praxis aber zunächst genau das passieren, was das Justizministerium vermeiden wollte, nämlich, dass nicht nur gewalttätige Personen erfasst werden, sondern alle, bei denen man meint, irgendeinen Gewaltbezug erkennen zu können.

Es geht mir nicht darum, irgendwelche Nazis vor Strafverfolgung zu schützen. Im Gegenteil. Nur halte ich eine Ausweitung der Befugnisse von Geheimdiensten und Polizeien für die falsche Reaktion. Gerade im Fall der NSU-Morde sind es die Geheimdienste, die eine noch nicht aufgeklärte und zwielichtige Rolle gespielt haben. Der Thüringer Verfassungsschutz hatte Kenntnis und Kontakt zur rechten Terrorgruppierung und unterstützte diese direkt mittels V-Männern und Kohle. Hierfür ist noch kein Verantwortlicher in Behörden und Politik zur Rechenschaft gezogen worden.

Stattdessen werden Datenschutz sowie Grund- und Freiheitsrechte mit immer neuen Maßnahmen ausgehöhlt. Es ist doch nur eine Frage der Zeit bis findige Politiker in ihrer unsäglichen Gleichsetzung von „Rechts- und Linksextremismus“ eine „Verbunddatei Linksextremismus“ fordern. In diesem Sinne ist auch die weitere Erfassung von Nazis ein Angriff auf unsere individuelle Freiheit. Ob man das nun wahrhaben möchte oder nicht.

Foto/Symbolbild: CC-BY-NC-SA shindoverse

12 Kommentare

  1. siri nihil says:

    hallo ihr lieben, ich möchte euch auf den neuen rundfunkstaatsvertrag aufmerksam machen, der der gez schnüffelrechte einräumt, von denen jede andere behörde nur träumen kann….. zukünftig soll man sich auch bei der gez ummelden müssen unter androhung eines bußgeldes, ebenso wenn man ein auto kauft, bei beiden sachen muss der vormieter bzw voreigentümer und dessen gez nummer mitgeteilt werden, angaben zu wg`s sind zu machen, sonst zahlt jeder wohnungsmitbewohner einen eigenen beitrag usw. leider gibt es hierzu viel zu wenig aufmerksamkeit…..

    http://www.swr.de/unternehmen/wie-wir-uns-finanzieren/-/id=8066446/property=download/nid=7687256/e29ne0/index.pdf

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