Regime sind immer die anderen

CC-BY-SA Elvert Barnes

Peter Gelling von der Global Post experimentiert mit Journalismus. Das Experiment ist simpel, aber wirkungsvoll und entlarvend. In seinem Text beschreibt er den NSA-Skandal in einem Duktus, wie amerikanische Journalisten ähnliche Vorfälle in Russland, Iran, China oder irgendeinem anderen Land schildern würden.

Human rights activists say revelations that the US regime has expanded its domestic surveillance program to private phone carriers is more evidence of the North American country’s pivot toward authoritarianism.

Menschenrechtsaktivisten berichten, dass das US-Regime das nationale Überwachungsprogramm ausgebaut hätten, das sei ein Beweis für die Hinwendung des nordamerikanischen Landes hin zum Autoritarismus.

“The US leadership in Washington continues to erode basic human rights,” said one activist, who asked to remain anonymous, fearing that speaking out publicly could endanger his organization. “If the US government is unwilling to change course, it’s time the international community considered economic sanctions.”

Aktivisten in Angst, die von der internationalen Gemeinschaft wirtschaftliche Sanktionen fordern…

US leader Barack Obama, a former liberal community organizer and the country’s first black president who attracted a wave of support from young voters, rose to power in 2008 promising reform. He was greeted in the United States — a country of about 300 million people — with optimism. But he has since disappointed those supporters, ruling with a sometimes iron fist and continuing, if not expanding, the policies of the country’s former ruler, George W. Bush.

Der US-Führer, der zur Macht kam mit Reformversprechungen, heute aber mit eiserner Faust die Politik seines Vorgängers verschärft.

The American leader, for example, has in recent years personally approved the jailing — and in some cases execution — of American citizens suspected of involvement in what the regime calls “terrorist activity.”

Der Präsident, der persönlich Hinrichtungen anordnet mit dem Vorwand, was das Regime „terroristische Aktivitäten“ nennt.

In diesem uns allen bekannten Duktus geht der Artikel weiter, wir kennen diese Art der Berichterstattung. Nur kennen wir sie nicht über die USA oder die Länder, in denen wir wohnen. Regime, das sind eben immer die anderen.

Dazu passt auch diese kleine Geschichte: Nico Lumma hat den SPD-Abgeordneten Thomas Oppermann kritisiert. Der sagte zum NSA-Skandal:

„Eine Totalüberwachung aller Bundesbürgerinnen und Bundesbürger durch die USA ist völlig unangemessen. Die Bundesregierung muss die Privatsphäre der Deutschen auch gegenüber der USA schützen.”

Der gleiche Oppermann ist hierzulande eiserner Verfechter der Vorratsdatenspeicherung, einem Instrument, das anlasslos jeden Bundesbürger und seine Kommunikation erfasst und protokolliert. Und damit eben nachweislich Privatsphäre auflöst und eine Totalüberwachung etabliert.

Wir sind eben schnell dabei, wenn es darum geht, anderen Ländern Zensur, Überwachung, Polizeigewalt, Repression und autoritäre Tendenzen – meistens zurecht – vorzuwerfen. Auf die Idee, dass ähnliche Dinge und Entwicklungen auch „zuhause“ passieren, kommen leider viel zu wenige. Denn wir leben ja in einer lebendigen, pluralistischen Demokratie, in der so etwas wie im Ausland nie passieren könnte…

4 Kommentare

  1. jfml says:

    In dem Zusammenhang auch schön:

    „Zweierlei Maß? – Die Berichterstattung über Russland und die USA“
    http://www.dradio.de/dlf/sendungen/dossier/1992509/

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