Zum Gedenken an den Mauerfall las ich im 10 vor 8 Blog der FAZ ein sehr aufschlussreiches Gespräch zwischen Annett Gröschner und Marion Detjen. Die beiden stellten eine Verkleisterung der Ereignisse mit einer schlichten Freiheitserzählung und eine mit jedem Jubiliäum zunehmende Vereinfachung und Zuspitzung auf die Einheit fest. Dabei könne man doch eigentlich das Ende der DDR als „große Geschichte der Selbstbefreiung“ erzählen.
In eine ähnliche Kerbe haut jetzt das Zentrum für politische Schönheit, jenes Künstlerkollektiv, das Waffenhersteller jagt und Ministerinnen in Erklärungsnöte bringt.
Nicht weniger als einen Europäischen Mauerfall fordern die Aktivisten, sie geißeln das hiesige Mauergedenken als inhaltsleer, bedrohlich-banal und sedierend.
Der einzig würdige Weg 25 Jahre Mauerfall zu feiern, sei am 9. November mit Bolzenschneidern und Akkuflex an die Außengrenze der EU zu gehen und den Zaun zu öffnen.
Zum Auftakt der Aktion haben sie direkt am Reichstag, mitten im Regierungsviertel die Gedenkstätte für die Mauertoten abtransportiert. Die so genannten Mauerkreuze sind nach Auskunft des Zentrums für politische Schönheit auf dem Weg an die EU-Außengrenze.
Für die Umsetzung der Mauerfall-Aktion hat das Künstlerkollektiv in 12 Stunden beim Crowdfunding schon knapp 10.000 Euro gesammelt. Mit dem Geld werden Busse und Logistik für alle bezahlt, die sich tatkräftig am Ersten Europäischen Mauerfall beteiligen wollen. Der Bus fährt am 7. November in Berlin ab und es gibt noch Plätze.
In Berlin wird derzeit noch gar nicht über diesen mutigen Akt des Zivilen Ungehorsams debattiert, man echauffiert sich besonders von konservativer Seite, dass durch die Entführung der Mauerkreuze das Gedenken der Mauertoten entwürdigt werde. Der Staatsschutz ermittelt wegen schweren Diebstahls. Und Innensenator Henkel, der zuletzt die Berliner Flüchtlingsbewegung mit Taschenspielertricks über den Tisch gezogen hatte, nannte die Aktion des Zentrums gar „einen neuen Höhepunkt politischer Geschmacklosigkeit“ – aus dem Mund dieses Mannes ist dies als Ritterschlag aufzufassen.