"Am Hause Schily gescheitert"
Die Grüne Drogenexpertin Monika Knoche im Gespräch

Unser Redakteur Manuel Faber traf sich zum Gespräch mit Monika Knoche von den Grünen. Monika Knoche war eine der Grünen Abweichler, die doch weich wurden, um die Koalition zu halten. Sie war in der letzten Legislaturperiode drogenpolitische Sprecherin der Grünen und engagiert sich besonders im Problemfeld Drogen und den verbundenen globalen Zusammenhängen. Sie sprach mit uns über die Verbindungen von "War on Drugs" und "War against Terror" und über die Frage, warum eine Liberalisierung der Drogenpolitik riesige Chancen bietet.


Die Legalisierung von weichen Drogen steht im Wahlprogramm der Grünen. Seit die Grünen in der Regierung sind, ist in dieser Richtung aber nichts passiert. Warum nimmt man sich in Deutschland kein Beispiel an der Drogenpolitik Hollands oder, besonders aktuell, der Schweiz?
Gemessen an den Reformversprechungen und –erwartungen, die mit Rot-Grün verbunden wurden, ist die Bilanz in der Drogenpolitik weniger dazu geeignet, diese als Erfolgsprojekt zu bezeichnen. Wichtig ist mir, dass Drogenabhängigkeit als gesundheitspolitische Aufgabe verstanden wird. Das hat erst einmal gar nichts mit dem gewaltig großen Thema der Legalisierung zu tun. Zu Beginn der Koalition gab es in Justiz, Gesundheitswesen und Gesellschaft einen wirklichen Reformwillen. Die grundlegende Kritik, dass von der jetzigen Form des "Drogenkrieges" nur Opfer zu erwarten sind, war gesellschaftlich akzeptiert. In diesem Sinne ist der Koalition etwas Bedeutendes gelungen: viele Großstädte beteiligen sich an medizinischen Modellprojekten zur Heroinsubstitution und haben Drogenkonsumräume eingerichtet. Damit wurde aber nicht die Aufgabe angegangen, ein emanzipatorisches Verständnis für Drogenkonsum zu entwickeln. Der Gleichsetzung von Drogenkonsum mit Krankheit möchte ich widersprechen, da diese der kulturellen Auseinandersetzung mit der Thematik des Rausches nicht gerecht wird. Aber zu mehr Reformkraft reichte es in dieser Regierung schon nach einem Jahr nicht mehr.

Cannabis ist gerade in Großstädten wie Berlin gesellschaftlich weitestgehend toleriert. Wer auf dem bayrischen Dorf mit 0,2 Gramm Cannabis erwischt wird, muss mit weitreichenden rechtlichen Konsequenzen rechnen. Hier in Berlin kann es schon mal passieren, dass einem ein Polizist nach einer Kontrolle das gefundene Haschisch/Marihuana wieder zurückgibt. Müssen solche Gegensätze nicht bundespolitisch angegangen werden?
Das sehe ich ganz genauso. In diesem Bereich hat es von mir als drogenpolitische Sprecherin der Fraktion und Frau Christa Nickels starke Bemühungen gegeben, diese paradoxe Behandlung einheitlich und vernünftig zu regeln und zu liberalisieren. Das ist am Widerstand der SPD, vor allem des Hauses Schily und des Verkehrsministerium gescheitert. Dort besteht in dieser Richtung kaum Bereitschaft zu Veränderungen. Die Haltung der SPD zu diesem Thema verstehe ich so, dass die Grünen sich daran ruhig die Zähne ausbeißen sollen. Seit das Gesundheitsministerium nach dem Rücktritt von Andrea Fischer in der Hand der SPD ist, herrscht Stille an der Drogenfront. Das Thema wurde aus dem Reich der Politik verdrängt.

Eine Legalisierung würde Entlastung für Justiz und Polizei bedeuten und darüber hinaus die Möglichkeit bieten, Cannabisprodukte zu besteuern. In Holland haben sich Coffeeshops als nicht unbedeutender Wirtschaftsfaktor herausgestellt. Wird über so etwas nachgedacht?
Sie meinen: wenn es jetzt schon heißt "Rauchen für Schily", warum dann nicht auch "Kiffen für Eichel"– verstehe ich Sie da richtig?
Was ich richtig fände, wären staatlich lizenzierte Verkaufsstellen und qualitäts- und wirkstoffgeprüfte Angebote. Obwohl heute jeder weiß, dass Cannabis nicht die Einstiegsdroge für Heroin ist, will ich einer Einstellung "Drogen legal, Gesundheit scheissegal", widersprechen. Legale Drogen wie Alkohol und Zigaretten werden hoch besteuert, das Allgemeinwohl wird durch Drogenkonsum mitfinanziert. Ich sehe ein extrem hohes Problemlösungspotential durch die staatlich-lizenzierte Abgabe von Drogen, welche in einer aufgeklärten Gesellschaft möglich sein sollte.

Sehen Sie dieses Potential auch bei harten Drogen?
Gerade bei Heroin und Kokain sehe ich dieses Potential noch viel stärker. Da bewegt man sich meines Erachtens in einem hochkomplexen weltumspannenden Korruptions- und Kriegsfinanzierungsnetz. Der Drogenkrieg, den die Amerikaner seit 20 Jahren führen, ist gescheitert. Wenn wir die Prohibition von Kokain und Heroin nicht hätten, hätten wir nicht nur den enormen Zuwachs an gesundheitlichen Problemen sowie rechtlichen und polizeilichen Aufrüstungen nicht, sondern hätten auch viel wirkungsvollere Ansatzpunkte, was die Bekämpfung von Korruption, Geldwäsche und Kriegsfinanzierungen anbelangt.
Das Ende des Krieges gegen die Drogen birgt ein riesiges Befriedungspotential. Das Tabu, Frieden zu brechen und Krieg zu führen, ist viel niedriger, als das Tabu, den Drogenkrieg in seiner derzeitigen Form in Frage zustellen. Wenn man sich jetzt Afghanistan anschaut, wo die Nordallianz an die Macht befördert wird, dann heißt das eben auch, dass Drogenkartelle bei der Konferenz in Bonn mit am Verhandlungstisch sitzen.

Wird die Rolle Afghanistans als wichtiger Opiumproduzent in der neuen politischen Situation trotz des "War on Drugs" bestehen bleiben?
Da fragen Sie lieber mal die US-Amerikaner und unseren Außenminister. Wenn Schurken die staatliche Gewalt zugebombt bekommen, schafft man u.U. mehr Probleme als man lösen kann. Den Regierenden dieser Region liegt es nicht am Herzen, eine Zivilgesellschaft aufzubauen. Mir drängt sich der Eindruck auf, dass Korrumpierbarkeit und Käuflichkeit für geopolitische Interessen und Ressourcenzugriffe nützlich sind. Insgesamt muss man sich fragen, wo setzt der Krieg gegen die Drogen an: will man Kleindealer in die Knäste stecken oder den Sumpf der milliardenschweren Drogenkartelle bekämpfen.

Die USA haben ja die Farc-Guerilla in Kolumbien auch auf die Liste der zu bekämpfenden Terrorgruppen gesetzt. Sehen Sie da einen Zusammenhang von Drogenkrieg und machtpolitischen Interessen?
Ja. Ich gehöre einer ParlamentarierInnengruppe an, die mit Friedensgruppen in Kolumbien zusammenarbeitet, und war selber zweimal dort in den letzten Jahren. Kleinbäuerliche Strukturen werden zerstört und es ist unverkennbar, dass dieser mit militärischen Mitteln geführte Drogenkrieg auch zur innenpolitischen Entscheidungsschlacht gegen den politischen Widerstand geworden ist. Das tritt offen zutage.

Nun finanzieren sich nicht nur die kolumbianische Guerilla, sondern auch Militärs und Paramilitärs durch Drogen. Ist der Krieg gegen Drogen nicht politischen Interessen unterstellt?
Vieles spricht dafür. Jedoch: Der "Plan Colombia" wird auch von der EU unterstützt. Gemeinsam mit Abgeordneten aus der SPD habe ich im Bundestag einen Antrag eingebracht, den militärischen Anteil aus dem "Plan Colombia" zu streichen. Im Ergebnis waren wir nicht erfolgreich. In Lateinamerika sind Terrorbekämpfung, Drogenbekämpfung und die Bekämpfung von Befreiungsbewegungen zu einem verwirrenden Konglomerat geworden. Alte politische Interessen unter anderen Vorzeichen? Es ist noch schwieriger geworden, seit beide Seiten sich auch über Drogengelder finanzieren. Und nun zeigen der alte Krieg gegen Drogen und der neue Krieg gegen Terror Überschneidungen. Unterscheidungen zwischen politisch legitimen Zielen von Befreiungsbewegungen und organisierten kriminellen Strukturen werden kompliziert und machen die Gerechtigkeitsfrage der Welt noch komplexer.

Würden Sie sagen, dass grüne Grundpositionen in der Drogenpolitik seit der Regierungsbeteiligung gescheitert sind?
Ich war mir seit meinem Eintritt in den deutschen Bundestag vor sieben Jahren bewusst, dass mein Verständnis von Drogenpolitik ein umspannenderes, nicht nur auf medizinisch und kulturelle Bereiche beschränktes, sondern auch ein weltpolitisches ist. Ebenso war mir klar, dass dies sehr anspruchsvoll ist und ich mich dadurch angreifbar mache. Nur wenige in der Fraktion waren bereit, mit mir diesen Weg politisch zu gehen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Manuel Faber am 28.11.01 in Berlin.


Foto (c) gruene.de
Monika Knoche ist 1954 in Baden-Würtemberg geboren und arbeitete als Verwaltungsangestellte. Von 1985 bis zu ihrem Einzug in den Bundestag 1994 engagierte sie sich in der Karlsruher Kommunalpolitik. Ihre Spezialthemen sind Drogenpolitik, Gesundheit und Ethik in der modernen Medizin.