"Garantieren können wir für nichts"
Alltagsrassismus im sächsischen Pirna: Eine Drogerie will Ausländer nur noch mit Begleitperson einkaufen lassen

"Wir freuen uns auf Sie!" – So steht es auf der Homepage der Stadt in der sächsischen Schweiz. Doch scheinbar sind in Pirna nicht alle willkommen. Denn wer in der Drogerie Sonneneck einkaufen möchte, auf den wartete bis vor zwei Tagen ein Schild auf dem stand: "Ausländer haben hier zu warten! Sie können Ihre Wünsche äußern. Unmittelbar in das Geschäft nur noch mit Begleitperson. (Mitarbeiter, Chefin)".

Das Schild ist jetzt verschwunden. Erst auf Druck der Sächsischen Zeitung entfernte Familie Herber, der das Geschäft gehört, diese rassistische Ungeheuerlichkeit. Die Stadtverwaltung war auf Beschwerde einer Dresdnerin am 17. Dezember auf die Herbers zugegangen und hatte sie aufgefordert das handgemalte Schild abzuhängen. Die Herbers waren nicht darauf eingegangen und argumentierten, man habe weniger Diebstähle zu verzeichnen, seit Ausländer an die Leine genommen wurden. "Die Reaktion der Kunden auf das Schild war geteilt" so R. Herber auf Anfrage von Metronaut. Stillschweigend nahmen die Pirnaer diesen offenen Rassismus hin, niemand protestierte. Die kleinstädtische Ruhe war in Gefahr.

Am liebsten wäre Herber, wenn man die Sache schnell vergessen würde, man wolle ja kein Medienspektakel wie bei Raabs "Maschendrahtzaun". Und überhaupt, er wisse gar nicht, was so schlimm sei, man habe doch überhaupt keine rechtliche Handhabe gegen ihn. Die Journalisten sollten lieber über die Arbeitslosigkeit schreiben.

Das wäre wohl auch Klaus Hensel, dem Sprecher der Stadt Pirna, am liebsten. Das ganze sei eine "unüberlegte Aktion" in dem Laden, der sowieso eine "individuelle Verkaufskultur" pflege. Die Stadt Pirna habe erkannt, dass sie etwas gegen die Rechtsextremisten tun müsse, und deshalb Initiativen wie die "Aktion Zivilcourage" gefördert. Die würden mit den rechten Jugendlichen reden.
Dass es hier nicht um rechte Jugendliche geht, sondern um einen weitverbreitenten Rassimus in der Bevölkerung sieht Hensel erst einmal nicht. Das seien Einzelfälle. Er wiederholt dieses Wort oft, sehr oft. Dann gesteht er ein, dass rechte Skinheads zum Straßenbild der 40.000 Einwohner zählenden Stadt gehören. Auf die Frage, ob die Bürger von Pirna das tolerierten, antwortet er ausweichend. Nein, aber es gäbe eben jene schweigende Masse an die man appellieren müsse, Courage zu zeigen. Aber das sei nicht nur ein Problem von Pirna, er wolle kein zweites Sebnitz und sehe den Tourismus, von dem sich die Stadt soviel verspricht, in Gefahr.

In Gefahr sind wohl auch die 500 in Pirna lebenden Ausländer, die gerade mal 1,25% der Bevölkerung ausmachen. Sie sehen sich einem stillschweigenden Rassismus gegenüber, der den Stiefelnazis und rechten Schlägern erst den Nährboden bietet ihr Unwesen zu treiben. Müssen
sich Ausländer auf den Straßen von Pirna fürchten?

"Ich hoffe, dass keiner Angst haben muss", sagt Hensel, "aber garantieren können wir – wie die Großstädte Hamburg und München – für nichts".

Markus Reuter
10.01.2002


Wir freuen uns auf Sie!
Eine Drogerie im sächsischen Pirna lässt Ausländer nur noch mit Begleitperson einkaufen



Links zum Thema:
Bild des Schildes und Artikel über Pirna bei Indymedia [mehr]

Artikel in der Sächsischen Zeitung [mehr]

Gästebuch der Stadt Pirna (mittlerweile geschlossen) [mehr]

Gästebuch von Pirna-Online [mehr]

Homepage der Stadt Pirna [mehr]

Was ist Volksverhetzung? Der Paragraf [mehr]