Embryonale Stammzellen
Stammzellenforschung mit Klonieren eng verknüpft


Ende Januar wurde der Antrag über die kontrollierte Einfuhr embryonaler Stammzellen mit knapper Mehrheit vom Bundestag angenommen: menschliche Zellen zu Forschungszwecken. Der Antrag wird noch in diesem Jahr Gesetz, das bis zum Sommer verabschiedet werden soll. Aber was genau sind embryonale Stammzellen? Woraus und unter welchen Umständen werden sie gewonnen? Und warum ist die Stammzellenforschung so eng mit dem Klonieren verknüpft?

Die Medien überschlagen sich. Allerorts wird über Stammzellen und Stammzelllinien berichtet. Meist in einem politischen und moralischen Kontext. Die Definition zum Begriff embryonale Stammzellen oder Zelllinien geht dabei unter oder taucht gar nicht
erst auf.
Alles menschliche Leben entwickelt sich aus einer einzigen Zelle. Irgendwann besitzen wir 300 verschiedene Zelltypen. Mit den Jahren verlieren sie ihre Fähigkeit, sich beliebig zu verwandeln. Wer nun junge Zellen für Therapien herstellen will, braucht einen Alleskönner: die embryonale Stammzelle.
Im Alter von vier bis sieben Tagen sieht ein Embryo noch aus wie ein Zellklumpen. Der äußere Teil bildet später den Mutterkuchen. Die innere Kugel - bestehend aus ein paar hundert Zellen - reift zum Fötus heran. Die embryonalen Stammzellen werden aus den inneren Zellen gewonnen. Wobei das Embryo zerstört und getötet wird. Aus dem Zellenkomplex lassen sich zwar alle möglichen Körperzellen züchten, aber keine Embryos samt Mutterkuchen mehr. Die Herstellung der Stammzellen fällt in Deutschland unter das Embryonenschutzgesetz, was nicht automatisch für den Import der Zellen gilt. Stammzellen werden also aus lebenden Embryonen, die wenige Tage alt sind, gewonnen.
Alternativ ließen sich auch aus erwachsenem Gewebe sogenannte adulte Stammzellen isolieren. Allerdings wäre dieser Prozess kompliziert und die Teilungsfähigkeit bliebe begrenzt.
In den Augen der Kritiker wird menschliches Leben zum Rohstoff degradiert. Sie bemerken auch, dass den Zelllinien heute bei der Bekämpfung von Alzheimer oder Krebs eine Wunderkraft nachgesagt wird - der jede empirische Grundlage fehlt

Welche Eigenschaften machen embryonale Stammzellen für Forscher interessant? Sie haben die Fähigkeit, jedes beliebige Gewebe von Blut- über Knochen- bis Herzzellen zu bilden. Außerdem teilen sie sich unermüdlich. Die Forscher hoffen, eines Tages aus menschlichen embryonalen Stammzellen Ersatz für krankes Gewebe züchten zu können, um es PatientInnen einzupflanzen. Bis das, was gemeinhin mit "therapeutisches Klonen" bezeichnet wird, möglich ist, benötigt die Forschung - nach eigenen Angaben - noch zwanzig Jahre. Verschwiegen wird auch die Tatsache, dass beim Übertragen von unreinen Zellkulturen in anderes Gewebe Krebs ausgelöst werden kann.

Soll ich mein behindertes Kind behalten? Frauen die Kinder wollen und vielleicht über 30 Jahre alt sind, stellen sich wahrscheinlich die Frage: was tun, wenn im frühen Stadium der Schwangerschaft eine Behinderung festgestellt werden würde? Der Haken an dieser Überlegung könnte sein, dass die Frauen von beratenden Ärztinnen und Ärzten nicht immer ausreichend aufgeklärt würden.
Tatsache ist, dass
nur ein äußerst geringer Prozentsatz der späteren Behinderungen im Mutterleib festgestellt werden können. Ein Vielfaches der Neugeborenen bleibt in der Realität als Folge der Geburt behindert. Leichter recherchiert sich da schon die Tatsache, dass eine Frau kaum Unterstützung erhält, zieht sie ein behindertes Kind groß. Vor allem keine finanzielle. Stellt sich die Frage, ob unser Staat behindertes Leben lieber zerstört, als integriert? Zwar macht uns das System glauben, dass jede Frau individuell entscheidet, dennoch verwundert es, dass viele - aus freien Stücken? - die Abtreibung wählen, wenn die Ärztin oder der Arzt eine angebliche Behinderung diagnostizieren. Was der Staat unternimmt, um die Entscheidung gegen Kinder mit Behinderungen zu unterstützen ist, aus Sicht der Frau, leicht erklärt: Wer ein behindertes Kind zur Welt bringt leidet sein Leben lang darunter - und zwar an den finanziellen Folgen... Behinderte Menschen fallen demnach wie Brotkrümel durch ein Raster, weil sie nicht ganz der definierten "Norm" entsprechen.

Schwangere erleben zunehmenden Druck, wollen sie sich pränatalem Screening während der Schwangerschaft nicht unterziehen. In Großbritannien wurde sogar die Anwendung der Präimplantationsdiagnose (PID) ausgeweitet. Aber das Verfahren bei dem außerhalb des Mutterleibs befruchtete Eizellen genetisch untersucht und dann wieder in die Gebärmutter implantiert werden, durfte bislang nur in einem Punkt offiziell Anwendung finden: zum Ausschuss von Embryonen mit genetischbedingten Krankheiten. Eltern die bereits ein krankes Kind zur Welt gebracht haben, können mit PID künftig versuchen, eine Art eigenen Blut- oder Gewebespender zu zeugen.
Ebenso gibt es Fälle in der Medizin in denen PID eingesetzt wurde, um die Geburt eines Kindes mit Trisomie 21, bekannt als Down-Syndrom, zu verhindern.
Auch andere, unmenschliche Forderungen seitens der Wissenschaft werden immer lauter: zur mediziinisichen Forschungszwecken auf Menschen zuzugreifen, die nicht oder nicht mehr selbst einwilligen können. Zum Beispiel PatientInnen im sogenannten Wachkoma.

Den Hintergrund
kurz notiert:
Ein Drittel der zur Verfügung stehenden Stammzellen kommen aus Schweden. Geforscht wird an menschlichen Lebewesen, deren Blut zirkuliert und die lebensfähig sind: Embryonen mit "zu geringer Qualität". Eingefrorenes Leben, dass ein Paar zu Forschungszwecken freigegeben hat. Die Stammzelllinien sind dort begehrt, wo wegen nationaler Gesetzgebung, eigene nicht entwickelt werden dürfen. Noch nicht.
In Schweden und Großbritannien ist der Weg für "therapeutisches" Klonen bereits freigegeben. In beiden Ländern ist es per Gesetz bald möglich, den Zellkern von PatientInnen in entkernte Eizellen zu transferieren, um Stammzellen zu bekommen, die mit dem Patienten genetisch übereinstimmen. Bevor Schweden aber als zweites Land weltweit mit solchen Forschungen beginnen kann "soll erst geregelt werden, dass geklonte Embryonen einer Frau nicht mehr in die Gebärmutter eingesetzt werden dürfen", so Schwedens sozialdemokratischer Forschungsminister Thomas Östros.

Bianca Theurer
13. Februar 2002



Nützliche Links

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Oliver Tolmein
(Journalist und Jurist)

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