Erfolgreiche Verlierer

Man nehme eine stümperhafte Truppe von vier Kleinkriminellen, eine Ehefrau, die fantastische Kekse backen kann, deren naiv bis verblödete Cousine und einen Streifenpolizist, der sich ohne weiteres bestechen lässt - schon hat man die Chefetage eines führenden Lebenmittelkonzerns. So sieht es jedenfalls Woody Allen, dessen Film "Schmalspurganoven" jetzt auf DVD erschienen ist. Der Altmeister der chaotisch intelligenten Komödien hat mit dieser Story einen fantastischen Film inszeniert, der vom Aufstieg und Fall einer Gemeinschaft seltsamer Zeitgenossen erzählt.

Am Anfang steht Rays (Woody Allen) vermeintlich genialer Plan. Der erfahrene Kleinganove hat vor, mittels eines Tunnel in eine Bank einzubrechen. Glücklicherweise steht drei Häuser neben dem Objekt der Begierde ein Laden leer, von dem aus bequem gegraben werden könnte. Um nicht aufzufallen soll Rays Frau Frenchy (Tracey Ullman) ihre im Bekanntenkreis hoch geschätzten Kekse im Laden verkaufen, während im Keller gebuddelt wird. Natürlich läuft nichts nach Plan und trotzdem werden alle Beteiligten unheimlich reich. Denn nicht der Tunnel sondern die Kekse entwickeln sich zu einem erfolgreichen Geschäftsmodell. Während Ray mit seinen Kumpanen ihren Tunnel in die falsche Richtung bauen, macht Frenchy mit ihren Keksen richtig Umsatz.

Ein Jahr später: der Keksladen ist zu einem Keksimperium herangewachsen und alle Schmalspurganoven des Tunnelprojekts sind ins Management gewechselt, organisieren hier mit seltsamsten Methoden Marketing und Unternehmensführung. Während der einfach gestrickte Ray sein früheres Leben zwischen Fernsehen, Baseball und Hotdogs vermisst, versucht seine Frau in die oberen Zehntausend vorzustoßen. Mangels Bildung wirkt ihr gesamtes Engagement bezüglich Kunst und Einrichtung allerdings wie neureiche Spiessigkeit. Der britische Auktionator David (Hugh Grant) soll ihr nun dabei helfen, auf höheren Niveau mitzuhalten. Das hat überraschende Folgen.

Woody Allen beweist mit "Schmalspurganoven" einmal mehr, dass er ein Meister seiner Klasse ist. Mit dem Schwung von früheren Filmen wie "Der Schläfer" oder "Woody, der Unglückrabe" erzählt er die Geschichte von Ray, dem erfolgreichen Verlierer. Geschickt führt er den Zuschauer von einer Überraschung zur nächsten, ohne dabei hektisch oder ruhelos zu werden. Trotz aller Turbulenz ist dieser Film sehr entspannt und lässt sich nach der Einführung in die Handlung Zeit zum Erzählen. Begleitet wird das Ganze von witzigen Monologen und - ganz Woody Allen like - gutem Jazz. Überragend ist Woody Allen in Rolle des Ray. Ungewohnt prollig und naiv - mit einer Bauernschläue ausgestattet, die meist nach hinten los geht, zeigt er seinem Publikum, dass er die Hauptrollen doch am liebsten selbst spielt und das zurecht.

"Schmalspurganoven" hat eine einfache, schöne Aussage: Stil kann man nicht kaufen und Geld allein macht nicht glücklich. Anders als die DVD: die kann man kaufen und sie macht - zumindest 90 Minuten lang auch glücklich.

Lukas-Christian Fischer
05.11.2001