Die
Welt am Abgrund
Robert Schwentkes düsterer Erstling "Tattoo"
mit August Diehl
Eine Frau läuft mitten in der Nacht nackt auf regennasser
Straße der Kamera entgegen. Mehr tot als lebendig
schleppt sie sich torkelnd bis zur Kreuzung vor und
wird von einem Bus erfasst, der wenig später explodiert.
Kurz zuvor noch die Rückenansicht: eine riesige
frische Fleischwunde an der Stelle, wo sich einst ein
Tattoo befunden hat. Ein gewagter und schockierender
Anfang für einen recht ungewöhnlichen deutschen
Film.
August Diehl spielt den jungen Polizeischulabsolvent
Marc Schrader, der gezwungenermaßen in die Mordabteilung
unter die Obhut des eigenwilligen Hauptkommissar Minks
gerät. Schrader, der eigentlich lieber auf illegalen
Raves seine Zeit verbringt, landet jedoch bei seinem
ersten Fall gleich einen Volltreffer. Eine gehäutete
und verbrannte Leiche führt die beiden auf die
Spur eines Serienkillers, der seinen Opfern jeweils
große Flächen der Haut entfernt hat. Schnell
wird klar: Er hat es auf die Tattoos abgesehen. Was
nun folgt ist eine sphärisch sehr dicht gefilmte
Story um die Suche nach den Auftraggebern und den Hintergründen.
Die Polizisten geraten immer tiefer in den grausigen
Sog aus Obsession und Gewalt. Dabei geraten sie an die
Freundin des ersten Mordopfers, Maya, furchteinflößend
gut gespielt von Nadeshda Brennicke, und erfahren Hintergründe
vom florierenden Handel mit Menschenhäuten. Alle
Tattooträger des Künstlers Hiromitsu sind
tot, bis auf Maya, die als letzte lebende Trägerin
eines Hiromitsu-Tattoos somit in Lebensgefahr schwebt.
Was so schnell entschlüsselt scheint, bleibt doch
den ganzen Film lang ein spannendes Geheimnis mit vielen
Wendungen und Überraschungen, das gleichermaßen
abstößt und fasziniert.
Wieder einmal mehr darf August Diehl sein großes
Talent zur Schau stellen. Er überzeugt sowohl in
der Rolle des drogenschluckenden Technoanhängers,
als auch in der Rolle des zunächst unmotivierten
Jungpolizisten, der plötzlich vom Eifer gepackt,
über sich selbst hinauswächst. Die kühle
und geheimnisvolle Nadeshda Brennicke schmückt das
Ganze noch mit subtiler Erotik. In den tristen und abschreckenden
Kulissen des Films spielen sie gekonnt die gegensätzlichen
und sich anziehenden Pole. In perfekt arrangierten tristen
und regennassen Bildern erzeugt der Film eine sehr gelungene
Atmosphäre. Sicherlich könnte man ihm an einigen
Stellen vorwerfen, vielleicht doch etwas zu selbstverliebt
in die Ausstattungskiste gegriffen zu haben, letztendlich
fügen sich die Bilder jedoch unaufdringlich in die
Geschichte ein und verleihen dem Film ein gekonntes Profil.
Den Wunsch, "dass Tattoo international funktioniert"
nimmt man dem Produzenten gerne ab, wird doch bei diesem
Film auf ziemlich eindeutige Weise demonstriert, dass
man bei den "Großen" abgeguckt hat.
Der französische Nachbar hat es mit "Die purpurnen
Flüsse" vorgemacht und auch Hollywood-Produktionen
wie "Seven" oder "8 mm" dürften
hierfür Inspiratoren gewesen sein. Trashiges, aber
sphärisch stimmiges Düster-Kino, das die Grenze
zwischen Thriller und Horror auf brillante Weise überwindet.
Man verzeiht es diesem Film, die Vorbilder allzu sehr
zu verraten, unter anderem aufgrund der hervorragenden
Besetzung, die einem spielerisch den Atem nimmt und
der Geschichte wahre Tiefenschärfe verleiht. Ein
Film, der in seiner Härte und Blutrünstigkeit
überrascht und doch sehr viel Substanz vorzuweisen
hat. Sicherlich nichts für jeden Geschmack, wohl
aber etwas für nicht allzu sensible Freunde des
spannenden Thrillers.
Fabienne Fontaine, 02.04.2002
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Tattoo
Deutschland 2002
Buch und Regie: Robert Schwentke
D: August Diehl, Christian Redl, Nadeshda Brennicke
108 Minuten
FSK: 16
Kinostart: 04. April 2002
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Begehrt
Ein Tattoo des Künstlers Hiromitsu
www.tattoo-derfilm.de
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