Durchatmen
und lächeln
"Die
Benimm-Bibel" von Ariane Sommer beantwortet Fragen,
die keiner gestellt hat
Grundsätzlich gibt es über Ariane Sommer nicht
besonders viel zu sagen. Jedenfalls nichts besonders
wichtiges. Bekannt und gefürchtet ist sie in unter
dem ebenso viel- wie nichtssagenden Attribut "Party-Girl",
weswegen man sie reinen Gewissens als Berliner Ausgabe
einer Jenny Elvers oder Verona Feldbusch bezeichnen
darf hier mal ein PR-trächtiger Auftritt,
dort mal etwas, das in der Boulevardpresse gerne als
"gewagtes Dekollete" bezeichnet wird. Dank
Personen wie ihr onanieren sich "Der Spiegel"
und das Feuilleton gelegentlich Analysen über eine
sogenannte "Spaßgesellschaft" zusammen;
und folgerichtig verlieh ihr der "TIP" Ende
des vergangenen Jahres eine besonders beliebte Auszeichnung:
Er nahm sie auf in seine Liste der 100 peinlichsten
Berliner. Nicht irgendwo dort, sondern auf Platz 1.
Vielleicht gibt es ja jetzt etwas über Ariane Sommer
zu sagen. Vor kurzem gelang es ihr, ein ganz besonderes
Kleinod in die notleidende deutsche Öffentlichkeit
zu entlassen: "Die Benimm-Bibel Ultimatives
für moderne Menschen" heißt es. Und
soll wohl so etwas wie ein Buch sein. Bereits der Klappentext
signalisiert, dass es sich bei den Adressaten des Werks
kaum um vernunftbegabte Menschen handeln kann. Eigentlich
nicht mal um Menschen: "Telefonieren. Wie sage
ich meinen Namen?" steht dort provokant geschrieben.
Man mag spontan geneigt sein, dieses Problem zeitgleich
mit der Erfindung des "aufrechten Gangs" als
erledigt zu betrachten doch Ariane Sommer meint
es ernst: "Atmen sie durch, und lächeln Sie,
bevor sie zum Hörer greifen."
Ariane Sommer beantwortet eine ganze Reihe von offensichtlich
drängenden Fragen. Wer genau sie gestellt hat,
bleibt indes ihr Geheimnis: "Toller Sex. Was ist
das?" scheint dabei eine Formulierung, welche es
zum zeitlosen Klassiker bringen könnte. Doch man
kann es kaum glauben: Die Autorin entblödet sich
nicht, auch auf diese Frage im Detail einzugehen. Haarklein
erklärt sie ihrer augenscheinlich ahnungslosen
Zielgruppe, wie sie denn zu gutem Sex komme ("Lösen
Sie sich von moralischen oder auch unmoralischen Vorstellungen,
die ihnen ihre Umgebung aufdrängt."); und
wie man schlechten Sex erkennt ("Im Nähmaschinenrhythmus
tackert er fröhlich sein er fröhlich sein
08/15-Programm ab."). Leute, denen dies immer noch
nicht genügt, dürfen sich dann im Abschnitt
"Der stilvolle One-Night-Stand" den Rest geben
lassen.
Doch "Die Benimm-Bibel" hat noch viel mehr
zu bieten. Weitere Highlights lauten: "Messer und
Gabel. Wozu denn?" und "Glauben Sie nicht
alles, was der Fernseher sagt". Ein für den
modernen Menschen wahrlich unverzichtbares Kapitel behandelt
das "Verhalten in Talkshows".
Ariane Sommer hangelt sich von einer drängenden
Frage zur nächsten. Dabei gelingt es ihr konsequent,
den roten Faden absoluter Belanglosigkeiten nicht aus
den Augen zu verlieren. Keine der Informationen, die
sie ihrem Leser aufnötigt, ist auf irgendeine Weise
neu oder einfallsreich Alles bewegt sich im Rahmen
des Selbstverständlichen bis Unnötigen.
Richtig unfassbar wird die "Benimm-Bibel"
aber immer erst dann, wenn Ariane Sommer meint, ihre
Gedankengänge mit Beispielen aus ihrem eigenen
Leben illustrieren zu müssen. Dass sie SMS-Nachrichten
mit Vorliebe einsilbig verfasst, kann mit gutem Willen
noch überlesen werden; ebenso wie die von ihr zur
Erläuterung angefügte Original-SMS-Kommunikation
mit irgendeiner Freundin ("Liebes Arianelein...").
Aber das ist lange noch nicht alles: "E-Mail"
heißt ein Abschnitt. Und beschäftigt sich
am Rande auch mit genau dem Thema, an welches man bei
besagtem Schlagwort glatt denken könnte. Ariane
Sommer nimmt es jedoch zum Anlass, dem erkenntnisfrohen
Leser zu erklären, wie sie es einmal fast geschafft
hätte, Mel Gibson zu treffen. Das ging leider schief.
Sie hatte vergessen, ihre E-Mails zu prüfen. "Sie
können sich vorstellen, wie meine Stirn aussah
nach stundenlangem Gegen-die-Wand-Schlagen."
Sebastian Stoll
28.05.01
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Ein roter Faden...
absoluter Belanglosigkeiten |
Ariane
Sommer
"Die Benimm-Bibel Ultimatives für moderne Menschen"
Argon Verlag, Berlin, 2001
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