Typisch
deutsch
Mit
Typisch deutsch hat Herrmann Bausinger den Zeitgeist
getroffen. Der Titel des Buches selbst produziert Empörung.
Die Kategorisierung wirkt wie eine Kritik, eine Provokation.
Typisch deutsch. Wie deutsch sind die Deutschen? Was
wird unter deutsch eigentlich verstanden.
Die unangenehme Diskussion über eine deutsche
Leitkultur, die der Fraktionsvorsitzender der
CDU Friedrich Merz entfacht hat, ist nur aus einem Grund
posititv. Die provokante These hat eine interessante
Frage aufgeworfen. Herr Merz hat (anstandshalber) diesbezüglich
keine öffentlichen Antworten geliefert.
Herrmann Bausinger, emeritierter Professor der Kulturwissenschaften
in Tübingen, klärt über die Assoziationen
auf, die mit deutsch verbunden werden. Nicht
erst nach dem zweiten Weltkrieg existiert in Deutschland
eine Unsicherheit diesbezüglich. Der Krieg war
ein Bruch für das soziale und kulturelle Selbstverständnis
der Deutschen. Den Deutschen wird oft großes Bedürfnis
nach Ordnung zugeschrieben. Der Nationalsozialismus
hat sich zum Teil darauf gestützt. Im deutschen
Sprichwortschatz nimmt die Ordnung einen wichtigen Platz
ein behauptet der Autor. Bei der jüngeren
Generation gilt der Ausspruch Ordnung ist das halbe
Leben bereits als ein Affront. Selbst bei einem
überdurchschnittlichen Verständnis für
Ordnung wird es bei den wenigsten auf Zuneigung stoßen.
Dennoch nehmen bei Umfragen zur Selbsteinschätzung
der deutschen Bevölkerung Ordnungsliebe,
Fleiß, Leistungsfähigkeit, Disziplin und
Sauberkeit nach wie vor die obersten Ränge ein.
Etwas anders ist dies, wenn man sich die Einschätzung
der Deutschen aus der Sicht von Angehörigen anderer
Nationalitäten anschaut. Im allgemeinen gilt, dass
die Deutschen penibel und oft kleinlich auf Ordnung
bedacht sind. Dies wird in unterschiedlichen Intensitäten
wahrgenommen, teilweise rangieren andere Attribute an
vorgerückter Stelle. Man muss hierbei bedenken,
dass Fremde immer aus der eigenen Perspektive wahrgenommen
und beurteilt werden. Bei der Beobachtung von Fremden
stechen Unterschiede stärker ins Auge. Der Unterschied
ist stark mit der eigenen Bewertung bezüglich der
beobachteten Eigenschaft verbunden. Wenn eine schlampige
Person auf eine besonders ordentliche trifft, wird ihr
der Ordnungsdrang besonders auffallen. Es könnte
aber genauso gut sein, dass ihr andere Eigenschaften
an Menschen wichtiger sind, so dass der Ordnungssinn
weniger stark bemerkt wird...
Herrmann Bausinger geht verschiedenen Selbst- und Fremdeinschätzungen
der Deutschen nach und erörtert die
historischen Entstehungszusammenhänge. Erst durch
die Gründung des Kaiserreichs wurde eine gemeinsame
Identität für die Deutschen überhaupt
möglich. In Typisch deutsch werden
regionale Eigenheiten untersucht und somit der Vorgang
der Typisierung erörtert. Es ist im Alltag kaum
möglich, solche Verallgemeinerungen, die nie alle
Bürger einer Bevölkerungsgruppe ganz beschreiben,
komplett zu vermeiden. Soweit es dennoch möglich
ist, versucht der Autor, den Deutschen unter
die Lupe zu nehmen.
Und er wagt auch einen Ausblick in die Zukunft Deutschlands
innerhalb der Europäischen Union. Vieles
von der kulturellen Vielfalt wird erhalten bleiben.
Das Pathos des Nationalen wird dabei zurücktreten,
die nationalen Besonderheiten werden mehr und mehr als
eine Spielart des Europäischen verstanden werden,
mit dem Akzent auf Spiel, aber doch mit deutlich erkennbaren
Unterschieden zu anderen Nationen. Eine recht
positive und plausible Prognose.
Christian
Wüstner
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Hermann
Bausinger
"Typisch deutsch - Wie deutsch sind die Deutschen?"
C.H. Beck Verlag 2000
175 Seiten, 17,90 DM
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