Mauve - Eine Farbe revolutioniert erst die englische, dann die weltweite Industrie

Heutzutage ist William Perkin in Vergessenheit geraten, kaum einer erinnert sich noch an die große Pionierleistung eines kleinen aber doch so bedeutenden englischen Chemikers, der sich durch nichts und niemanden abhalten ließ und dessen scheinbar nutzloses Experimentieren so nachhaltige und weltweite Auswirkungen haben sollte. Der britische Erfolgsautor Simon Garfield aber begnügte sich nicht mit seinem stillen Andenken und schrieb ein ganz und gar einzigartiges Buch über den bescheidenen Wissenschaftler und seinen Feldzug durch die Farbindustrie.

Warum ein solches Buch in die Hand nehmen, wird man sich leicht fragen. Chemie konnte bisher keineswegs in der literarischen Szene große Aufmerksamkeit erwecken und tatsächlich fällt es mir schwer, nachzuvollziehen, was mich bewegt hat, dieses Buch zu lesen. Es war bestimmt die Neugier auf das, was sich hinter einem Buch verbirgt, das sich darauf beschränkt, eine so schillernde und facettenreiche Farbe wie Lila zum Inhalt zu machen. Ich wurde reichlich belohnt von dieser Neugier. Spannend und unglaublich flüssig zu lesen ist die Geschichte von der zufälligen Entdeckung und Verwendung der ersten Anilinfarbe, gewonnen durch ein Verfahren, welches Steinkohle als Ausgangsstoff verwendet.

Dabei richtet sich das Augenmerk nicht unbedingt auf die chemischen Details des Verfahrens zur Mauvein-Herstellung, über die man am Rande jedoch auch unterrichtet wird, sondern vielmehr auf den Prozess des Experimentierens und Entdeckens. Hier entwickelt das Buch eine echte Spannung, getragen vom Geist der industriellen Revolution, die man hier häppchenweise und leicht verdaulich aufgetischt bekommt. Mauve, heute eher als Lila nebst Abwandlungen bis hin zum Rosa bekannt, fand enthusiastischen Beifall in der Bevölkerung. Es führte zu einer Massenerscheinung in der Modeindustrie, man kleidete sich, zumindest wer es sich leisten konnte, mit der Modefarbe schlechthin. Dies war aber nur der allererste Schachzug in einer Folge von bahnbrechenden Entdeckungen. Das Verfahren, welches die Herstellung von Mauve ermöglichte, war in der Folge Wegbereiter für die Entwicklung ganz anderer Stoffe und Chemikalien. So beruhen die heutige allseits beliebte Allzweckwaffe Aspirin, die Tinte im Drucker, Parfums, Sprengstoffe sowie entscheidene Medikamente, wie z.B. zur Behandlung von Malaria, auf den einst so missachteten Experimenten eines jungen Chemikers. Die Geschichte liest sich daher auch streckenweise spannend wie ein Krimi und ist dabei so unglaublich lehrreich wie es nur selten ein Lehrbuch aus der Schule ist.

Ein Plädoyer für den Entdeckergeist in uns und eine Hommage an einen mutigen Mann zu einer Zeit, in der man ebenso schnell aufsteigen wie abfallen konnte. Eine großartige Erzählung, in der die Grenzen zwischen Wissenschaft, Biographie und Kulturgeschichte verwischt werden und die es versteht, gleichzeitig zu unterhalten und zu fesseln. Ein Buch das echtes Wissen vermittelt und stilvoll erzählt, wie einst die Welt bunter wurde.

Fabienne Fontaine, 04.06.2001

Simon Garfield
Lila - wie eine Farbe die Welt veränderte
Siedler Verlag 2001
252 Seiten, Leinen, gebunden
Preis: 39,90 DM
www.siedler-verlag.de

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