Meine
große Wohnung
Literaturpreise
sind eine feine Sache, eignen sie sich doch immer gut
für die Vermarktung eines Buches. Christian Osters
Roman "Meine große Wohnung" hat in Frankreich
bereits den renommierten Prix Médicis gewonnen
und wurde vom Publikum mit großer Begeisterung
aufgenommen. Ob der deutschen Übersetzung ähnlicher
Erfolg vergönnt sein wird, bleibt zu bezweifeln.
Luc
Gavarine hat, so vermutet der Leser schnell, mehr als
nur eine Macke. Die eine wichtige zum Beginn der Geschichte
ist jedoch seine Mappe. Die trägt er immer bei
sich, nicht unbedingt um etwas in ihr zu transportieren,
sondern einfach so. Eines Tages befindet sich dann doch
etwas in der Tasche und geht mit ihr verloren: der Hausschlüssel.
Und als ob das nicht schon reicht, hat ihn allem Anschein
nach auch noch seine Freundin verlassen. Und mit ihr
die letzte Möglichkeit, ohne Anwendung physischer
Gewalt in seine Wohnung zu gelangen. Was folgt, liegt
auf der Hand. Luc zieht in ein Hotel, verabredet sich
mit einer längst verheirateten Ehemaligen im Schwimmbad,
um diese dort zwar zu suchen, sie dann aber doch lieber
zu ignorieren. Der Grund für die Ignoranz ist die
Frau am Beckenrand, nicht schön aber dafür
schwanger und für Luc schlechthin die Eine. Luc
ist überzeugt, dass sie den Rest ihres Lebens miteinander
teilen werden. In Gedanken richtet er sich, seiner Frau
und ihrem Kind schon seine Wohnung ein. Sie wird natürlich
zu ihm ziehen. Allein die Frau muss noch davon in Kenntnis
gesetzt werden. Es folgt eine Art Liebesgeschichte.
In
Frankreich wurde der Autor für seine einzigartige
Sprache gerühmt, was angesichts der deutschen Übersetzung
schwer fällt. Jeglicher gewohnter Satzbau und stringente
Gedankengänge sind hier über weite Strecken
nicht präsent. Die Sätze werden verschachtelt,
zerhackt und beendet, bevor dies der Fall sein dürfte.
Diese assoziative Erzählweise ist eine Weile lang
durchaus reizvoll. Auch sorgt sie hier und da für
Komik, auf Dauer ermüdet sie den Leser allerdings
und entlässt ihn stellenweise in eine gewisse Vertsändnislosigkeit.
Nicht immer weiß er, was Luc ihm eigentlich genau
erzählen möchte. Und das ist dann auch das
Problem des Romans. Er tritt auf der Stelle. Ein Spannungsbogen
wird nicht wirklich aufgebaut und der Roman endet offen.
Viel zu erzählen hat der Autor in seiner "Großen
Wohnung" wohl nicht. Allein Stellen wie die Schilderung
von Lucs Rasiergewohnheiten (Ich rasierte mich ein bisschen
rechts oder links, dann ein bisschen links oder rechts.
Symmetrisch. Den oberen Teil der linken Wange, dann
den oberen Teil der rechten Wange. Und so weiter. So
bist du, sagte ich mir, wenn eine Katastrophe eintritt
und du schlagartig weg musst, fein raus. Niemand könnte
sagen, du seist nicht rasiert.) oder sein Warten auf
den Zug (Von den zwei Stunden, die mir blieben, bevor
ich mich zum Bahnhof zu begeben hatte, schlug ich nur
die eine tot. Sie widersetzte sich mir tapfer. Von oben
herab, diese Stunde, provokant.) lassen das komische
Potenzial des Autors erahnen. Doch zu solchen Formulierungen
kommt Oster, "einer der großen Meister des
Humors" (Le Monde), leider zu selten.
Wieviel
dabei durch die Übersetzung verloren ging, kann
nur der Lesevergleich klären. Momentaufnahmen aus
dem Leben junger Menschen allerdings überschwemmen
den Buchmarkt momentan inflationär. Um aus der
Masse herauszuragen, erfordert es schon mehr als eine
eigenwillige Sprache und einen kauzigen Protagonisten.
So ist der Roman am Ende wie das Treffen eines flüchtigen
Bekannten. Man hat zwar eine ganz unterhaltsame Zeit
verbracht, daran erinnern wird man sich aber nicht mehr
lange.
Daniel
Kreuscher