Trompete
Galgen Feuerstrahl oder: Wie geht es Ihnen heute?
- schizophrene Texte auf der Bühne
Wenn man genau darüber nachdenkt, kann einem mulmig
werden man geht ins Theater um ein Solo anzusehen,
das sich ausgerechnet mit dem Thema Schizophrenie auseinandersetzt.
Man erwartet ein zwiespältigen, abgedrehten vielleicht
sogar "wahnsinnigen" Abend. Dann aber steht
man im Theater zerbrochene Fenster in Kreuzberg und sieht
still im fahlem Licht Dominik Bender auf der Bühne
stehen. Ein schwarzer Raum, eine schwarze Bühne -
das Licht zeigt auf Benders erhobene Hände. Ein Frage-Antwort-Spiel
zwischen Patient und imaginärem Arzt beginnt. Die
Stimme des Arztes aus dem Off, im Licht dagegen Benders
ausdrucksloses und gleichzeitig konzentriertes Gesicht.
Man merkt sofort, dass die ersten Klischeevorstellungen,
die man von einem Schizophreniepatienten hat, nicht mehr
greifen. Das Gespräch wirkt authentisch und banal
und gerade deshalb so bekannt und alltäglich.
Der Horizont ist weit gefasst. Dieser Eindruck bleibt
mit Fortlauf des Stückes erhalten und macht nachdenklich.
Schizophrene können ein uns nicht unähnliches
Weltbild haben, ihre innere Zerrissenheit könnte
somit ein Verweis auf unser aller gespaltenes Ich sein,
es aber zumindest in Frage stellen. Was ist nach dem Tod?
Was ist der Sinn des Lebens? Besitzt du einen Kamm?
Leo Navratil, ein Mediziner, Psychologe und Anthropologe
hat früh erkannt, dass Patienten, herausgenommen
aus der Gruppe und einzeln befragt, mit erstaunliche Welterklärungsmodellen
aufwarten und sich in dem Gesagten vielfach auch die Ängste,
Sorgen und Wünsche der Restbevölkerung widerspiegeln.
Dominik Bender hat es sich unter der Regie von Hildegard
Schroedter vorgenommen, aus einem Destillat der Originaltexte
von Leo Navratil, eine gute Stunde Einblicke in die gespaltene
Welt Schizophrener zu gewähren. Man nimmt ihm diese
Rolle ab und folgt ihm durch den Parcours der verschiedenen
Charaktere. Er überzeugt durch präzises, teilweise
etwas schlaksiges Spiel und kann den Abend erstaunlich
gut alleine bestreiten. Wenige aber dramaturgisch gelungene
licht- und tontechnische Effekte zieren den Abend, sind
aber insgesamt zu zaghaft eingesetzt, so dass zum Ende
hin zwischenzeitlich der Eindruck des Stillstandes entsteht.
Was in der ersten halben Stunde abwechslungsreich daher
kommt, findet in der zweiten Hälfte wenig Entsprechung
die Spannung nimmt ab, wiederkehrende Krankheitsbilder
können nicht mehr fesseln. Das mulmige Gefühl
vom Anfang scheint zwischendurch durch ein starkes Spiel
vergessen zu sein, gegen Ende aber drängt es sich
unweigerlich wieder auf. Eine irritierende Vorstellung
menschlicher Denkweisen und Gefühlswelten, die zwar
zwischenzeitlich auf der Stelle tritt, durch ihre konsequente
Umsetzung aber doch überzeugt.
Fabienne Fontaine, 15.04.2002