Stilsicheres
Sterben
Das Internet bietet Bestattungen für jeden Geschmack
Was genau geschieht mit dem Menschen nach seinem Tod?
Nun, so genau weiß das keiner, aber zumindest eine
Konstante hält das Leben nach dem Tod für beinahe
jeden Verblichenen bereit: die Bestattung. Die kommt so
sicher wie das Amen in der Kirche.
Doch wie stirbt man stilsicher? Für den urbanen und
trendbewussten Menschen offenbart sich hier ein Problem
aufgrund der hohen Sterblichkeitsrate unter der menschlichen
Gesamtpopulation hat es bereits so ziemlich jede Form der
Bestattung gegeben, das Feld erscheint zu abgegrast, um
neue Trends zu etablieren. Was soll man nur machen? Rein
in den Sarg und ab unter die Erde? Zu konventionell. Oder
eine Seebestattung? Das macht heutzutage schon jeder Hanswurst.
Also bleibt nur die Mumifizierung? Das wussten ja bereits
die alten Ägypter.
Antworten auf diese Fragen finden sich wie sollte
es auch anders sein? natürlich im Internet.
Die US-amerikanische Bestattungsdatenbank
findagrave.com hält Lösungen für jeden
Geschmack bereit: Die schönsten Friedhöfe dieser
Welt werden in Wort und Bild vorgestellt, ebenso umfassend
wird geschildert, welcher prominente Verschiedene an welchem
Ort gelagert wird freundlicherweise wurde hierbei
auch an den deutschen Geschmack gedacht, so dass sich problemlos
die Grabstätten historischer Persönlichkeiten
wie Konrad Adenauer oder, nun, Horst Wessel ermitteln lassen.
Aber das ist noch lange nicht alles! Parallel zur gewöhnlichen
Bestattung bietet das Haus auch die Möglichkeit einer
Online-Bestattung auf dem eigenen Server. Hierzu genügt
es, wenn die Hinterbliebenen ein Foto der geliebten Person
einschicken und einige liebe Zeilen verfassen. Besucher
haben die Möglichkeit, eine virtuelle Blume zu hinterlegen
und zu kondolieren. Darüber hinaus lassen sich noch
Musikstücke in Form von mp3-files am Grab platzieren.
Stark!
Dieses revolutionäre Konzept hat natürlich auch
Spuren in Deutschland hinterlassen: Eines der vielen ehrgeizigen
und jungen Projekte verbirgt sich hinter dem etwas einfallslosen
Namen Online-Friedhof.
"Hier kann man sich das Trauern noch leisten."
verspricht der Beerdigungsdiscounter und das ist wohl wahr:
Für Preise ab 5 DM monatlich können es sich selbst
Schüler leisten, geliebten Menschen stets ganz nah
zu sein. Dummerweise wird das progressive Angebot bislang
kaum genutzt, der Friedhof ist beinahe leer. Ob es etwas
damit zu tun hat, dass man auf der selben Seite nicht nur
auch Haustiere bestatten lassen kann, sondern sogar Tamagotchis?
Wohl kaum.
Einen konsequenteren Weg beschreitet der
Hundefriedhof. Der Name verrät es, hier ruhen ausschließlich
die vierbeinigen besten Freunde des Menschen. Auf der Startseite
des professionell gestalteten Angebots findet sich der Brief
einer gewissen Petra H., welcher die sinnstiftende Funktion
dieses Friedhofes besser erklärt, als es Worte unter
gewöhnlichen Umständen zu leisten vermögen:
Ihr geliebter Rottweilerrüde verstarb am 21.12.1999,
"ohne Vorankündigung an einem Herztot." Noch
heute besucht sie ihn täglich auf dem realen Hundefriedhof
in Saarbrücken, wie sie betont. Warum? "Damals
wusste ich noch nichts von dem Hundefriedhof im Internet."
Der nächste Trend zeichnet sich bereits in den USA
ab. Aber Vorsicht! Diese Friedhöfe sind nichts für
schwache Nerven und wohl bald schon überfüllt:
The dot com graveyard bietet eine letzte Ruhestätte
für jung verstorbene Unternehmen der New Economy. Neben
den Geburts- und Sterbedaten der Verblichenen wird auch
ihre cash-burn-rate genannt, also der Betrag von Fremdkapital,
welchen sie in ihrem kurzen Leben verblasen haben
schlappe 100 Millionen Dollar sind da keine Seltenheit.
Ebenso gibt es zur Erinnerung Zitate aus Lebzeiten.
So äußerte sich ein Projekt vor Jahren: "To
be successful on the Net now, you have to bring something
new to the party."
Sebastian Stoll
21.01.2002