Byron
Bay - Hippie-Mekka Australiens
Hippies? Gab es die nicht mal in den 70ern? Sind die nicht
mittlerweile ausgestorben? Nein, es gibt sie noch! Nicht
alle haben sich den Zwängen unserer Konsum orientierten
Gesellschaft unterworfen und damit ihre vormaligen Ideale
aufgegeben. In einem kleinen 5.000-Seelen-Ort 800 km nördlich
von Sydney im australischen Sonnenstaat New South Wales
hat sich eine Kommune von Hippies niedergelassen, die
mittlerweile zur Touristenattraktion avanciert ist.
Vor allem auch aufgrund seiner zahlreichen kilometerlangen
Sandstrände zieht es jährlich Tausende von erlebnishungrigen
Besuchern in diesen östlichsten Punkt von Downunder.
Byron Bay heißt die wahrscheinlich letzte Bastion
alternativer Lebenskultur in Australien, deren Existenz
von den australischen Behörden akzeptiert zu werden
scheint. Ähnlich wie im Freistaat Christiania in
Kopenhagen, in dem auf einem kleinen Areal in der Mitte
der Stadt jeglicher Konsum weicher Drogen von der Polizei
toleriert wird, wundert man sich in Byron Bay, dass hier
selbiges Phänomen stattfindet. Zwar ist auch hier
wie im restlichen Australien jedweder Drogenkonsum illegal,
doch scheint dies von staatlicher Seite nicht kontrolliert
zu werden.
Ist man als typischer Tourist erst einmal in Sydney angekommen
und konnte sich dort über die Kanther/Schillysche
Traumvorstellung aufregen (Kameras in U-Bahnen, Bussen,
Taxis; ständige Taschenkontrollen in Supermärkten,
"Sicherheitspersonal" in jeder U-Bahn nach 19.00
Uhr, "safety cameras", die beinahe die gesamte
Innenstadt überwachen), so wird diese Law and Order-Politik
im Norden des gleichen Bundesstaates ad absurdum geführt.
Das Ganze erscheint noch schizophrener, wenn man hört,
dass vor wenigen Wochen in Sydney der für seine Prostitution
und Drogenkriminalität bekannte Bezirk Kings Cross
von Hundertschaften der Sydneysider Polizei kontrolliert
wurde.
In einer groß angelegten Aktion wurden zeitgleich
Dutzende von Cafes und Pubs gestürmt und ihre Besucher
auf Drogen und andere illegale Anzeichen hin untersucht.
Es gab zahlreiche Festnahmen und einige Cafes wurden zwangsweise
geschlossen.
Doch das alles ist weit, weit entfernt von Byron Bay,
dessen Alt-Hippies sich höchstens Sorge machen müssen,
dass aufgrund der Touristenmassen und dem daraus resultierenden
Aufschwung der Fastfoodketten und Touristenshops ihre
ursprüngliche Lebensweise und Weltsicht immer mehr
in den Hintergrund gerät.
Zwar sieht man hier immer noch Männer mit langen
Bärten und Blumen gespickten Kleidern und Frauen
in bunten Leinentüchern barfuß durch die Straßen
laufen. Auch hört man "Doors"-Musik am
Strand und späherische Klänge, wenn man im "garantiert
karmafreien vegetarischen Restaurant" speist oder
im nächsten "supernaturalfood-supermarket"
die Nase vom Duft zahlreicher Räucherstäbchen
umschmeichelt wird. Doch der Tourismus hat schon deutlich
seine Spuren hinterlassen.
Selbiges gilt für den 500 Einwohner zählenden
Ort Nimbin unweit von Byron. In dieser Anfang der Siebzigerjahre
gegründeten Kommune, in die mehrmals täglich
zahllose Backpacker in Bussen für Tagestripps gekarrt
werden, haben sich nach dem Aquarius-Rock-Festival 1973
alternativ geprägte Menschen niedergelassen, um dort
ihrer "back to the land"-Mentalität Ausdruck
zu verleihen.
Obwohl dieser Ort sicherlich noch authentischer geblieben
ist als Byron Bay, können die Läden, in denen
man problemlos Drogen bekommen kann, und die wohl nur
einmal existierende HEMP Embassy nicht darüber hinwegtäuschen,
dass die Haupteinnahmequelle heutzutage der Tourismus
ist. Und da jeder Backpacker, der in Sydney ankommt, erst
einmal die Sagen umwobenen Geschichten von Byron Bay und
Nimbin hört und dementsprechend dort häufig
als ersten Zwischenstopp hinpilgert, wird sich daran sicherlich
auch so bald nichts ändern.
Aber es ist noch nicht alles verloren. Solange Orte und
Hostels wie die Arts Factory existieren, in denen regelmäßig
Feuerjongleure ihr Können darbieten, kostenlose Joga-,
Massage-, und Didgeridoo-Kurse angeboten werden und es
möglich ist in großen Indianerzelten oder im
faszinierend besprühten ausrangierten Doppeldeckerbus
zu übernachten, so lange wird die alternative Lebenskultur
auch hier weiterleben und noch vielen Besuchern eine mögliche
Alternative (Wahlspruch hier allerorts: "Freedom
of choice") oder zumindest Bereicherung aufzeigen.
Michael Marien