"Wir
machen was wir wollen: puren Rocksound"
Interview mit Tod A. von der New Yorker Band Firewater
Ich habe mal über Firewater gelesen, dass es manchen
großen Plattenfirmen lieber wäre, wenn bestimmte
Musikrichtungen ganz vom Markt verschwinden. Und zu dieser
Art von Musik gehört auch Firewater. Warum, denkst
Du, haben Majorlabels Probleme, mit Bands wie Euch zusammenzuarbeiten?
(Lachen) Das ist sehr lustig. Ich persönlich
hatte tatsächlich wenig Glück mit Majorlabels.
Vielleicht gibt es ein gutes Majorlabel da draußen,
ich habe allerdings noch keines gefunden. Das liegt wahrscheinlich
an der Methode, wie Bands von großen Plattenfirmen
ausgewählt und unter Vertrag genommen werden. Wenn
ein bestimmter Stil einer Band erfolgreich ist, werden
25 weitere Bands verpflichtet, die eigentlich genauso
klingen. Leider gibt es anscheinend keine andere Truppe,
die wie Firewater klingt, und deshalb sind wir hier nicht
interessant genug. Im Grunde genommen haben die Firmen
Angst vor Alternative Music. Der Gehaltsscheck der Mitarbeiter
ist bei einem Major immer nur soviel wert wie der vorangegangene
Erfolg der Bands, die sie betreut haben. Somit hat jeder
dort permanent Angst, seinen Job zu verlieren und traut
sich so nicht, etwas wirklich neues zu machen. Große
Firmen scheinen das Gefühl der Angst vor der Arbeitslosigkeit
zu forcieren, um ihre Produkte konstant zu halten. Wenn
du ein Marketingtyp bist, hast du natürlich große
Probleme mit einer Band wie Firewater, bei der jeder Song
irgendwie anders klingt. Coca-Cola, Zigaretten und Musik
das Marketing verlangt, dass sich dein Produkt
nicht verändert, damit man es auch konstant verkaufen
kann. Du kannst unsere Musik instabil oder epileptisch
nennen, wir machen trotzdem die Art von Songs, die wir
machen wollen, ohne dabei an die zu verkaufenden Einheiten
zu denken.
In vielen Reviews über euer neues Album fällt
mit deinem Namen immer wieder der Name deiner alten Band
"Cop Shoot Cop". Stört dich das?
Langsam wirkt das etwas veraltet. Aber was kann man
da machen? Ich kann ja nicht die Vergangenheit ändern,
außerdem schäme ich mich auch nicht dafür,
bei "Cop Shoot Cop" dabei gewesen zu sein. Wenn
es den Leuten hilft, Firewater einzuordnen, komme ich
damit durchaus klar.
Wenn Amazon.com dich mit Mick Jagger vergleicht, hast
du damit also auch kein Problem?
(lacht) Nettes Kompliment, allerdings heißt
das für mich nur, dass man nicht alles glauben sollte,
was man im Internet lesen kann.
Die vorangegangen Alben von Firewater enthielten folkloristische
Elemente, Klezmermusik und traditionelle osteuropäische
Einflüsse. Auf "Psychopharmacology" habt
ihr solche Spielereien weggelassen und euch auf Rock konzentriert.
Warum?
Wir haben unsere Musik beschnitten, um jeden einzelnen
Song das zu geben, was er brauchte. Die Thematik von "Psychopharmacology"
ist sehr düster und durch den minimalistischen Rocksound
haben wir versucht, das Ganze so hoffnungsvoll und positiv
wie möglich klingen zu lassen. Die Bläser und
Streicher der vorangegangen Alben hätten hier nicht
gepasst. Ob wir bei der nächsten Platten weiter in
diese Richtung gehen oder wieder zurück schwingen
wird sich zeigen. Jetzt hat der pure Rocksound auf jeden
Fall seinen Sinn.
Auf eurer Website kann man lesen, dass "Psychopharmacology"
für Menschen empfohlen wird, die Angst vor dem Versagen
haben und unter unkontrollierbaren erotischen Fixierungen
leiden. Nebenwirkungen eurer Songs sollen unter anderem
Blackouts sein. Ganz schön heftiges Medikament...
(lacht) Ja, man sollte beim Hören von Firewater
auf eine aktive Teilnahme im Straßenverkehr verzichten
und keine Maschinen bedienen. Ist natürlich alles
ein großer Spaß, aber ich habe herausgefunden,
dass die Kombination mit Alkohol gut funktioniert.
Die vorangegangenen Alben waren in den Staaten ziemlich
erfolgreich, in Europa waren sie kaum zu bekommen. Woran
lag das?
Wir hatten einfach keine europäische Plattenfirma,
aber das hat sich ja jetzt geändert. Mit Nois-O-lution
haben wir einen coolen Partner gefunden.
Du hast einmal gesagt, du wärst ein Reisejunkie.
Bin ich auch. Ich stehe auf das Gefühl, unterwegs
zu sein. Ich habe allerdings keine bestimmten Orte im
Sinn. Ich mag Europa, aber ich toure gerne auch in anderen
Teilen der Welt. Am meisten würde mich wahrscheinlich
China reizen, da habe ich noch nicht gespielt und es ist
ja unheimlich schwierig, dort ein Konzert machen zu können.
Es soll dort allerdings auch Undergroundgigs geben, illegaler
Weise in irgendwelchen Clubs. Das wäre interessant.
Stichwort illegal. Du behauptest von dir, viel im Knast
gelernt zu haben. Warst du wirklich hinter Gittern?
(lacht) Ich wurde schon mal eingebuchtet, allerdings
hört sich das schlimmer an als es war. Es handelt
sich hierbei eher um Kurzbesuche. Ich habe einfach Probleme
mit den Cops. Ich mag sie nicht und die mögen mich
auch nicht, deshalb versuche ich einfach, der Polizei
zu weiträumig wie möglich aus dem Weg zu gehen.
Das klappt meistens ganz gut.
Das Schreiben von Songs ist für dich so etwas wie
eine Therapie. Wovon musst du therapiert werden?
Das Leben ist manchmal ganz schön hart, für
jeden von uns. Ich bin somit keine Ausnahme und meine
Art mit diesen Irrungen und Wirrungen umzugehen, ist es
einfach, Musik zu machen. Hier kann ich Gefühle ausdrücken,
über die ich nicht einfach reden könnte...
...wie zum Beispiel in dem Song "Psychopharmacology",
der sich mit Tabletten und Depression beschäftigt?
Ja, zum Beispiel. Dieser Song ist über eine Freundin
von mir, die wirklich ernste Probleme hatte und einen
Ausweg aus ihrer Situation gesucht hat. Allerdings hat
keiner der Ärzte ihr einen vernünftigen Weg
aus der Krise gezeigt. Tabletten ist leider die amerikanische
Art mit solchen Leuten umzugehen. Einwerfen und abschalten.
In "Black Box Recording" singst du über
das Gefühl in einem abstürzenden Flugzeug zu
sitzen. Hast du dabei nach dem 11. September ein komisches
Gefühl?
Diesen Song live zu spielen ist tatsächlich seltsam.
Wahrscheinlich würde ich das auch jetzt nicht mehr
so schreiben. Ich war am 11. September nur ungefähr
fünf Blocks vom World Trade Center entfernt und habe
von der Straße aus alles live mit ansehen müssen.
Das war alles andere als eine schöne Erfahrung. Allerdings
ist auch dieser Song autobiographisch. Bei einem Flug
ich glaube sogar über Deutschland ist
plötzlich der Kabinendruck abgesackt und die Atemmasken
fielen oben aus den Klappen. Alle gerieten in Panik und
jeder dachte, dass das jetzt wohl das Ende ist. Ich fand
das Ganze so skurril und konnte nur noch lachen, obwohl
mir auch klar war, sterben zu müssen. Ich habe mir
in diesem Moment wirklich überlegt, dass ich einem
Freund noch 20 Dollar schulde und der die nun nicht mehr
zurückbekommen kann. Zwar sind wir dann doch nicht
abgestürzt, aber ich fühlte mich dem Tod schon
sehr nah.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Lukas Fischer am 02.02.2002
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Tod A. - Frontmann von Firewater
"In der Musik kann ich Gefühle
ausdrücken, über die man nicht einfach reden kann."
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Firewater
"Psychopharmacology"
VÖ:
03/02
Label: Nois-O-Lution
Metronaut-Rezension
lesen
www.noisolution.de
www.fireh2o.com
Hier
kann man Reinhören!
Firewater live:
18.03.02 Berlin / Knaack
19.03.02 Hamburg / Fabrik
20.03.02 München / Backstage
21.03.02 A-Wien / Flex
22.03.02 A-Steyr / Rödl
23.03.02 A-Ebensee / Kino
25.03.02 Frankfurt / Cookies
26.03.02 Bielefeld / Forum
27.03.02 Heidelberg / Schwimmbad
28.03.02 CH-La Chaux de Fond
29.03.02 CH-Bern / Reitschule
30.03.02 CH-Winterthur / Gaswerk
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