Bad
Boy in a Bad World
Firewater "Psychopharmacology"
Als die Indianer Nordamerikas das erste Mal mit der
Lieblingsdroge des weißen Mannes in Berührung
kamen, war es um viele von ihnen geschehen. Der unbekannte
Feuerwasser-Rausch ließ sie nicht mehr los, Abhängigkeit
war das Ergebnis. Ähnliches steht uns Europäern
nun bevor, denn dass wir auf dem alten Kontinent dem New
Yorker Indierock-Import Firewater verfallen, ist wohl nur
eine Frage der Zeit.
Dass das Quartett um Ex-Cop Shoot Cop-Frontman Tod A. mit
Psychopharmacology bereits ihren dritten Longplayer vorlegt,
mag erstaunen ob des geringen Bekanntheitsgrades der Band
hierzulande. In der Heimat schon gefeierte Kultband, setzen
Firewater jetzt mit neuem europäischem Label an, den
Sprung über den großen Teich zu schaffen.
Und die Zeichen dafür stehen gut. Wie schon auf
dem 98er Album The Ponzi Scheme verbinden Firewater auf
Psychopharmacology erneut vielfältige Einflüsse
zu einem musikalischen Gesamtkunstwerk. Auf Spielereien
wie folkloristische Elemente, Klezmermusik und osteuropäische
Einflüsse, wie sie noch auf den Vorgängern zu
entdecken waren, verzichten Firewater diesmal zwar, aber
Violine, Cello, Orgel und Klavier sorgen ebenso wie der
Einsatz eines persischen Sitars oder eines Toy Pianos immer
noch für genreuntypischen Soundarrangements. Der rote
Faden auf Psychopharmacology bleibt aber straighter Rock.
Bläser und Streicher des Vorgängers wurden den
Ansprüchen von Text und Inhalt geopfert, die düstere
Thematik des Albums bekommt so einen hoffnungsvollen und
positiven Klang. Freudige Melancholie und leichtlebiger
Fatalismus beherrschen denn auch die Songtexte, wenn Tod
A. etwa im Duett "Bad, Bad World" mit Jennifer
Charles von Elysian Fields zu dem Schluss kommt, dass es
eine schlechte, schlechte Welt ist, in der wir leben. Aber
eben die einzige, die wir haben. So what?
Oder in den gefasst-ironischen Überlegungen eines Passagiers
einer abstürzenden Maschine, dem in den Sinn kommt,
dass seine Gläubiger nun vergeblich auf ihr Geld warten
werden ("Black Box Recording"). Shit happens!
Eine Erfahrung, die Tod A. nach eigenen Aussagen selbst
schon gemacht hat. Der Absturz konnte damals allerdings
noch verhindert werden.
Solcherlei Ironie, der typische Firewater-Humor zieht sich
durch das komplette Album. Mit diesem Humor und einem Grinsen
auf den Lippen bewaffnet verteilen Firewater munter Seitenhiebe
auf unsere Gesellschaft, seien es die Errungenschaften der
Pharmaindustrie ("Psychopharmacology"), die Jagd
nach 15 Minuten Ruhm ("The Man With The Blurry Face")
oder die Tücken des sozialen Miteinanders ganz allgemein.
Das Ergebnis sind zehn sehr runde und abwechslungsreiche
Songs, die es schaffen, die provokanten Texte in eine funktionierende
Symbiose mit kraftvoll-stimmigen Sounds zu betten. Die Botschaft
der Texte steht der Musik zunächst konträr gegenüber,
so dass es auch beim x-ten Mal hören noch Originelles
zu entdecken gibt. Für Kurzweil ist so gesorgt.
Insgesamt ist Firewater mit Psychopharmacology ein athmosphärisch
sehr dichtes, abwechslungsreiches Album gelungen, das
der Band mit seinen catchy Songs auch in Europa den verdienten
Erfolg bescheren dürfte. Um es mit den Worten von
Frontmann Tod A. zu sagen: "Psychopharmacology is
going to be your friend. Psychopharmacology is going to
save your soul."
Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Plattenhändler.
Daniel Kreuscher,
19.02.02