Interview mit Erik Ohlsson, Gitarrist und Artworker von Millencolin
Millencolin, Schwedens Vorzeige-Punkrocker, beglücken
die Fans Anfang März mit ihrem fünften Album. Metronaut.de
sprach mit Gitarrist Erik Ohlsson (26) in Berlin über
Punkrock, Skaten und das Glück auf Tour zu sein.
Metronaut: Hi Erik, wie war dein Tag? Schon viele Interviews
gegeben heute?
Erik: Oh ja! Aber heute ging es, gestern war es schlimm. Ich
saß die beiden Tage zuvor in der Jury eines Skateboard-Contest.
Ich bin ja mit vielen Leuten aus der schwedischen Skatepunk-Szene
groß geworden. Die habe ich wieder getroffen und wir
haben viel und lange gefeiert und getrunken. Danach ging es
dann nach Köln. Ich war ziemlich zerstört.
Fand der Contest in deinem eigenen Skatepark statt?
Das ist gar nicht mein eigener Skatepark. Er gehört einem
Freund und ich habe ihm dabei geholfen und tue es immer noch.
Aber ja, genau in diesem Skatepark war der Contest.
Du bist ja viel beschäftigt: immer auf Tour oder im
Studio mit Millencolin, daneben deine Arbeit als Grafiker
(Erik entwarf alle Covers der Band, Anm. d. Red.).
Findest du überhaupt noch Zeit zum Skaten?
Leider nur noch sehr wenig. Wenn ich es mal wieder mache,
merke ich immer, dass Dinge, die ich früher drauf hatte,
nicht mehr so gut funktionieren. Das nervt mich dann schon.
Aber ich liebe das Skaten natürlich immer noch.
Apropos viel zu tun: Ihr habt in den letzten acht Jahren
etwa 600 Gigs gespielt. Euer neues Album heißt "Home
From Home", es scheint als wenn ihr es genießen
würdet außerhalb von Schweden zu sein.
Ja das stimmt. Nikola (Frontman der Band; Anm. d. Red.)
und ich kennen uns schon ewig, wir sind wie Brüder. Aber
auch die anderen Beiden, wir kennen uns schon so lange und
haben immer jede Menge Spaß, wenn wir auf Tour sind.
Aber ich bin natürlich auch sehr gerne zu Hause.
Die Band ist also so etwas wie eine mobile Familie geworden?
Ja das kann man sagen. Das ist ein gutes Wort dafür.
Nervt es nicht andauernd auf Tour zu sein, immer und immer
wieder die selben Songs zu spielen?
Eigentlich nicht. Millencolin ist mehr eine Liveband als eine
Studioband. Die letzten Gigs einer Tour können schon
mal hart sein, aber wir lieben es auf Tour zu sein. Zu den
Songs: Für das Album "Same Old Tunes" habe
ich den Song "Mr. Clean" geschrieben, den wir eigentlich
auf jedem Konzert spielen. Wir müssen ihn neben den Proben
schon ungefähr tausend mal gespielt haben. Aber es macht
einfach Spaß auf der Bühne zu stehen.
Als ihr das letzte Mal in Berlin gespielt habt, hat Nikola
gesagt, Millencolin spielen nur schnelle Songs, keine langsamen.
Aber eure Musik scheint sich doch von den schnellen, dreckigen
Punkrock-Songs zu sehr professionell arrangierten Songs zu
bewegen. Wie klingt Millencolin in fünf Jahren?
Oh, das ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann. Man
weiß nie wie man sich entwickelt. Aber auch momentan
sind wir noch nicht so professionell. Wir sind natürlich
im Laufe der Jahre bessere Musiker geworden. Was wir früher
gemacht haben, klingt halt so, weil wir das gemacht haben
was wir konnten. Aber auch auf "Home From Home"
sind ein paar Songs drauf, der Titelsong "Home From Home"
zum Beispiel, die punkiger sind als manch ältere Songs.
Vermisst du diese unprofessionelleren Tage?
Nicht wirklich. Klar, wir hatten im Laufe der Jahre eine Menge
Spaß. Aber den haben wir immer noch. Wir haben in unserer
Musik immer das gemacht, worauf wir Lust hatten und wozu wir
fähig waren.
Auf dem neuen Album findet man im Gegensatz zu früher
keine Ska-Einflüsse mehr. Stimmt ihr mit Bands wie Propagandhi
überein, die einen Ausverkauf des Punkrock durch Skapunk-Bands
oder Bands wie Blink 182, die die Charts stürmen, sehen?
Nein, solange die Bands machen, worauf sie Lust haben und
was sie wirklich mögen, ist das total in Ordnung. Und
wenn jemand Skapunk machen will, soll er es tun. Wir haben
es ja auch getan, haben aber gemerkt, dass es Leute gibt,
die es besser können. Also haben wir es gelassen. Ich
mag Skapunk aber immer noch. Und die Jungs von Blink 182 sind
total nette Leute. Die haben sich auch jahrelang den Arsch
abgespielt und irgendwann kam dann der Erfolg, das ist in
Ordnung, weil sie das machen, worauf sie Lust haben. Überhaupt
hat sich der Punkrock heutzutage in so viele Unterarten aufgeteilt.
Es gibt den politischen Punkrock ebenso wie den Ska- oder
Funpunk und was sonst noch alles. So ist es halt.
Ihr habt weltweit 1,5 Millionen Alben verkauft. Ist Punkrock
Mainstream geworden?
Ja, ich finde schon.
Brett Gurewitz, Epitaph-Besitzer und Gitarrist von Bad
Religion, hat gesagt, Schweden hätte momentan die interessanteste
Punkrock-Szene. Neben euch sind Bands wie No Fun At All, Randy,
The Hives oder The (International) Noise Conspiracy sehr erfolgreich.
Wie kommt das, sind die Schweden anders?
Es stimmt, in Schweden gibt es eine starke Punkrock-Szene.
Aber es gibt auch in anderen Musikrichtungen viele erfolgreiche
schwedische Gruppen. Das ist schon lange so. ABBA zum Beispiel
oder Ace of Base, Roxette... Die Schweden mögen einfach
Musik. Früher gab es auch eine große Heavy-Metal-Szene.
Ihr erinnert euch bestimmt an Europe (lacht). Aber
warum genau das jetzt so ist, weiß ich auch nicht. Aber
es ist witzig: Als wir das erste Mal in den USA auf Tour waren,
waren wir echte Exoten. Die Leute haben gehört wo wir
herkommen und fanden das erstmal ziemlich seltsam: eine Punkrock-Band
aus Schweden! Das hat sich mittlerwile geändert.
Kann man sagen, dass ihr so etwas wie Pioniere des Punkrock
in eurem Land seid?
Ja, in gewisser Weise schon. No Fun At All sind auch schon
lange dabei. Aber ich denke, zu dem Zeitpunkt als wir bekannter
wurden, ging es mit dem Punkrock in Schweden ganz allgemein
nach oben.
Wann können wir euch denn mal wieder in Deutschland
sehen?
Bald schon. Wir gehen jetzt in Australien auf Tour, danach
in Nordamerika und im April und Mai touren wir durch Europa
und natürlich auch durch Deutschland.
Da seid ihr ja mal wieder viel unterwegs. Habt ihr schon
mal in China gespielt?
Nein leider nicht. Würde ich aber gerne mal machen. Ist
aber wohl gar nicht so leicht, die Erlaubnis für Auftritte
zu bekommen. Die (Intl.) Noise Conspiracy hat das mal gemacht,
allerdings ohne die Erlaubnis der chinesischen Regierung.
die haben sozusagen eine Undercover-Tour gespielt.
Die offiziellen Konzerte sollen ja auch alle bestuhlt sein
in China...
Ja, das ist bestimmt witzig, ein Punkrock-Konzert, auf dem
alle nur dasitzen und zuschauen.
Vielen Dank für das Gespräch und viel Glück
für das Album und die Tour.
Das Interview führten Lukas Fischer und Daniel Kreuscher
im Februar 2002 in Berlin.
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Zuständig für
Gitarre und Artwork
Erik Ohlsson
Schwedens Vorzeige-Punks
Millencolin
Fotos © Torbjörn Persson 2001
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Infos
unter:
www.millencolin.com
www.burningheart.com
Millencolin auf Tour:
05.05. Zürich - Limathal
06.05. Wien - Pepsi Music Club
07.05. München - Coloseum
08.05. Stuttgart - Filharmonie
09.05. Köln - Ewerk
10.05. Berlin - Columbiahalle
11.05. Hamburg - Große Freiheit
12.05. Bremen - Aladin
Zu Rezension des neuen Millencolin-Albums "Home From
Home" [hier klicken].
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